Welche Rolle spielen Mastzellerkrankungen bei Long-Covid?
Die aktuelle Berichterstattung zu Covid-19 fokussiert sich sehr stark auf schwere Krankheitsverläufe, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, sowie auf die Zahl der Verstorbenen. Doch nach und nach sieht man eine wahre Welle von Menschen, die eine Infektion durchgemacht und auch Monate später noch mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu kämpfen haben – selbst wenn ursprünglich nur milde Symptome aufgetreten waren. Man bezeichnet die Langzeitfolgen von Corona oft als "Long-Covid" oder "Post-Covid-Syndrom". Wir fassen die aktuellen Erkenntnisse zusammen und erörtern, welche Anhaltspunkte es für eine Beteiligung von Mastzellen gibt und welche Konsequenzen das für Menschen mit Histaminintoleranz hat.

Man spricht von Long-Covid, wenn mehrere Wochen oder gar Monate nach der Covid-19-Infektion keine vollständige Erholung eingetreten ist und sich bei den Betroffenen stetig wiederkehrende oder chronische Müdigkeitserscheinungen zeigen. Wegen der Neuartigkeit der Erkrankung und der unterschiedlichen Ausprägung, die viele verschiedene Organsysteme betreffen kann, gibt es noch keine einheitliche Definition von Long-Covid. Derzeit ist auch nur sehr wenig über die Ursachen bekannt und dementsprechend gibt es noch Wissenslücken, wie man die Erkrankung zuverlässig diagnostizieren kann.
Schon von anderen Viruserkrankungen ist bekannt, dass sie Erschöpfungszustände auslösen können, darunter beispielsweise SARS, MERS oder auch Polio [1]. Eine wichtige Rolle dabei scheinen Entzündungsreaktionen spielen: Bei Covid-19 werden durch das dem Körper unbekannte Virus abnormale Entzündungsreaktionen ausgelöst. Derzeit arbeiten viele Mediziner daran, diese Entzündungsvorgänge zu charakterisieren, um so ein besseres Verständnis der Erkrankung zu bekommen.
In einer kleinen Studie konnte man bei Mitarbeiterinnen des Gesundheitssektors, die nur leichte Krankheitssymptome hatten, auch 40 Tage nach der Genesung noch Biomarker nachweisen, die auf anhaltende Entzündungs- und Stressreaktionen hindeuten [2].
Alles beginnt häufig mit einer leichten oder moderaten Erkrankung, mit den typischen Symptomen: leichtes Fieber, Husten, leichte Atemnot, Müdigkeit oder Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns.
Doch bei einigen verschwinden die Symptome einfach nicht mehr. Vor allem die bleierne Müdigkeit (auch als "Fatigue" bezeichnet) besteht zum Teil monatelang und lastet schwer auf den Betroffenen. Fatigue ist mit Abstand die häufigste Langzeitnachwirkung der Corona-Erkrankung. Etwa jeder Siebte, der nach einem milden Krankheitsverlauf Long-Covid entwickelt, leidet darunter. Bei schweren Verläufen klagen sogar 53–71 % über eine anhaltende chronische Erschöpfung [3]. Diese höhere Rate spiegelt mit Sicherheit auch die größere Schwere des Krankheitsverlaufs wider. Betroffene werden massiv in ihrem Tagesablauf beeinträchtigt, in schlimmen Fällen werden selbst einfache Haushaltstätigkeiten zur Last und über die langfristigen Auswirkungen auf das Arbeitsleben lässt sich nur mutmaßen.
Auch der Geruchssinn kehrt bei vielen Betroffenen zum Teil monatelang nicht zurück. Es gibt sogar schon Webseiten mit Kochrezepten für Menschen, die nichts mehr riechen und schmecken können.
Doch hier hört es nicht auf, die Liste der Symptome von Long-Covid ist lang und reicht von Übelkeit, Gewichtsverlust oder zitternden Händen über kognitive Beeinträchtigungen ("Brain fog") bis hin zu einer Herzbeutelentzündung. Einige Betroffene leiden unter Angstgefühlen oder entwickeln Depressionen. In seltenen Fällen scheint es zu einer Verschlechterung von bestehenden Allergien oder sogar zur Ausbildung neuer Allergien zu kommen. Es gibt auch viele Fälle, in denen nach überstandener Corona-Infektion histaminhaltige Lebensmittel schlechter vertragen werden [4].
Anfangs fußten viele Erkenntnisse auf Einzelfallberichten, aber in der Zwischenzeit gibt es immer mehr systematische Studien, die langsam ein etwas klareres Licht auf die Situation werfen:
In einer prospektiven Studie mit mehr als 4000 Teilnehmern klagten nach vier Wochen 13,3 % der Infizierten über anhaltende Symptome [5]. In einer anderen Studie der University of Washington unter Erkrankten, die einen eher milden Krankheitsverlauf hatten, aber ambulant behandelt werden mussten, klagten etwa 30 % der Befragten zum Teil noch Monate nach der Erkrankung über anhaltende Beschwerden [3]. Bei hospitalisierten Patienten – und dementsprechend schwereren Verläufen – liegt diese Rate mit 40 % sogar noch deutlich höher [6].
Insgesamt scheint es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Symptome während der ersten Woche der Infektion und einer langfristigen Nachwirkung von Corona zu geben. Bei mehr als fünf Symptomen besteht eine größere Wahrscheinlichkeit für Long-Covid [5].
Frauen scheinen deutlich häufiger von diesen Langzeitfolgen betroffen zu sein als Männer [5], was möglicherweise auch daran liegt, dass es Unterschiede im Immunsystem von Männern und Frauen gibt.
Hier gibt es leider noch erhebliche Datenlücken. Die Daten über die Wirksamkeit der Impfung fokussieren sich derzeit stark auf schwere Krankheitsverläufe und die Vermeidung von Todesfällen. Für Long-Covid wäre allerdings wichtig zu wissen, inwiefern auch Infektionen und milde Krankheitsverläufe verhindert werden. Ohne monatelange Nachbetrachtung lässt sich zu diesem Thema jedoch noch keine statistisch belastbare Aussage treffen.
Wenn man aber vorläufige Daten aus Israel betrachtet, wo schon ein hoher Bevölkerungsanteil geimpft wurde, dann gibt es derzeit starke Hinweise darauf, dass die Impfung sowohl die Krankheitssymptome abschwächt als auch Infektionen verhindert (sterilisierende Immunität) [8]. Falls sich diese Daten bestätigen sollten, dann könnte man durch die Impfung eines ausreichend großen Teils der Bevölkerung wohl auch Long-Covid wirkungsvoll vorbeugen.
Zum Thema Impfung bei Menschen, die bereits an Long-Covid leiden, gibt es derzeit eher gemischte Daten. Sie beruhen weitestgehend auf Einzelfallberichten oder ersten kleineren, zum Teil noch nicht begutachteten Studien. Bei einigen Geimpften scheint sich die Long-Covid-Symptomatik tatsächlich etwas zu verbessern und es ist wahrscheinlich auch bei Long-Covid sinnvoll, sich impfen zu lassen [9]. Es liegen aber auch gegensätzliche Berichte vor, wo die nachträgliche Impfung scheinbar zu einer Intensivierung der Symptome führt [10]. Hier wird die nahe Zukunft hoffentlich ein klareres Bild zeichnen.
Eine mögliche Erklärung für Long-Covid könnte eine krankhafte Überaktivität von Mastzellen sein. Mastzellen sind vielen Menschen durch allergische Reaktionen bekannt. Sie sind Abwehrzellen, die praktisch überall im Körper vorkommen, z. B. im Darm, in der Lunge oder in der Haut. Sie speichern bestimmte Botenstoffe (z. B. Histamin), die sie bei Bedarf schlagartig freisetzen können, wenn eine potenzielle Bedrohung durch Gifte, Allergene oder auch Viren erkannt wird. Dadurch werden Entzündungsreaktionen in Gang gesetzt, die wichtig sind, um schädliche Substanzen oder Eindringlinge abzuwehren.
Doch hier ist die Krux: Bei einigen Menschen funktionieren diese Mastzellen nicht richtig und reagieren auf bestimmte Triggerfaktoren überempfindlich. Sie schütten schon bei schwachen Reizen mehr Entzündungsmediatoren aus, als sie eigentlich sollten. Man spricht dabei von einem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS).
Die Erkrankung wird allerdings nur selten richtig erkannt, weil sie so viele Ausprägungen haben kann, je nachdem, welche Körperteile sie betrifft, z. B. die Haut, den Verdauungstrakt oder andere Organsysteme. Nur die wenigsten Betroffenen dürften überhaupt wissen, dass sie eine Mastzellaktivierungsstörung haben. Dabei ist die Erkrankung wahrscheinlich deutlich weiter verbreitet, als vielen bekannt ist: Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 17 % der westlichen Bevölkerung betroffen sind. Ursache dürfte in den meisten Fällen eine genetische Mutation sein [7].
Bei einer SARS-CoV-2-Infektion werden die Mastzellen aktiviert, wobei im Normalfall die Aktivität nach dem Abklingen der Covid-Erkrankung wieder auf ein normales Ausgangsniveau zurücksinkt. Aber bei Long-Covid scheint das nicht der Fall zu sein. Hier bleibt die abnormale Aktivierung der Mastzellen mit den oben genannten Nebenwirkungen bestehen. Möglicherweise führt also die Covid-Infektion dazu, dass eine bereits bestehende, aber unerkannte Mastzell-Erkrankung eskaliert [7].
Die Rolle der Mastzellen ist aktuell eine Theorie, die aber zumindest plausibel erscheint. Weiteren Studien werden folgen müssen, um zu bestätigen, dass Covid-19 die Aktivität von Mastzellen tatsächlich außer Kontrolle geraten lässt.
Dr. Afrin et al. haben bei ihren MCAS-Patienten soweit keine schweren Verläufe beobachten können, sofern sie medikamentös gut eingestellt waren. Sie empfehlen aber, sobald man eine beginnende Erkrankung bemerkt, sofort als vorbeugende Maßnahme H1- und H2-Antihistaminika einzunehmen, um die überschießende Reaktion der Mastzellen auszubremsen. Diese sind günstig, seit vielen Jahrzehnten bei allergischen Erkrankungen erprobt und haben nur wenige Nebenwirkungen [7].
Auch andere Substanzen, die die Aktivität der Mastzellen stabilisieren, z. B. Cromoglicinsäure oder Aspirin (sofern man es verträgt), können die Erkrankung wahrscheinlich in Zaum halten und Langzeitfolgen verhindern oder abmildern [7].
Die Studienlage ist wie beschrieben noch eher dünn. Wenn Sie eine bekannte Mastzellaktivierungsstörung oder eine Histaminintoleranz mit starker Reaktion auf Liberatoren haben, sollte Ihnen das als zusätzlicher Grund für extreme Vorsicht im Umgang mit Covid-19 dienen. Es ist leider davon auszugehen, dass mit zunehmender Impfung der älteren Risikogruppen die Disziplin in der Bevölkerung nachlassen wird, sich an die nach wie vor sinnvollen Corona-Beschränkungen zu halten. Deswegen wird es aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten zu stark steigenden Infektionszahlen – und damit auch zu vielen Long-Covid-Fällen – kommen.
Eine Infektion zu verhindern hat natürlich immer oberste Priorität! Lassen Sie sich unbedingt impfen, sobald dies für Sie möglich ist. Falls Sie sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen infizieren, wenden Sie sich auch bei milden Symptomen sofort an Ihren behandelnden Arzt, damit er Ihnen gegebenenfalls die oben genannten Medikamente verschreiben kann, die Ihre Mastzellen während der Infektion stabilisieren.
Mehr zum Thema Impfung und Covid-19 finden Sie hier: Das Coronavirus und Lebensmittelunverträglichkeiten

In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
Artikel teilen
Zurück zum Blog
Quellen:
[1] https://edition.cnn.com/2021/03/12/health/ron-davis-covid-long-hauler-scn-wellness/index.html (03/2021)
[2] I. Doykov et al., The long tail of Covid-19 – The detection of a prolonged inflammatory response after a SARS-CoV-2 infection in asymptomatic and mildly affected patients, F1000Research 9:1349 (2021), 1–10
[3] J. Logue et al., Sequelae in Adults at 6 Months After COVID-19 Infection, JAMA Network Open. 2021;4(2):e210830. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2021.0830
[4] H. Davies et al., Characterizing Long COVID in an International Cohort: 7 Months of Symptoms and Their Impact, medRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.24.20248802
[5] C. Sudre et al., Attributes and predictors of Long-COVID: analysis of COVID cases and their symptoms 1collected by the Covid Symptoms Study App, doi: https://doi.org/10.1101/2020.10.19.20214494
[6] Research NIfH. Living with Covid19 2020 [updated 15.10.2020. Available from: https://evidence.nihr.ac.uk/themedreview/living-with-covid19/.
[7] L. Afrin et al., Covid-19 hyperinflammation and post-Covid-19 illness may be rooted in mast cell activation syndrome, International Journal of Infectious Diseases 100 (2020), 327–332
[8] https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/mar/12/vaccines-long-covid-health-answers (03/2021)
[9] D. Arnold et al., Are vaccines safe in patients with Long COVID? A prospective observational study, medRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2021.03.11.21253225
[10] https://www.nytimes.com/2021/03/17/health/coronavirus-patients-and-vaccine-effects (03/2021)

Was ist Long-Covid?
Man spricht von Long-Covid, wenn mehrere Wochen oder gar Monate nach der Covid-19-Infektion keine vollständige Erholung eingetreten ist und sich bei den Betroffenen stetig wiederkehrende oder chronische Müdigkeitserscheinungen zeigen. Wegen der Neuartigkeit der Erkrankung und der unterschiedlichen Ausprägung, die viele verschiedene Organsysteme betreffen kann, gibt es noch keine einheitliche Definition von Long-Covid. Derzeit ist auch nur sehr wenig über die Ursachen bekannt und dementsprechend gibt es noch Wissenslücken, wie man die Erkrankung zuverlässig diagnostizieren kann.
Schon von anderen Viruserkrankungen ist bekannt, dass sie Erschöpfungszustände auslösen können, darunter beispielsweise SARS, MERS oder auch Polio [1]. Eine wichtige Rolle dabei scheinen Entzündungsreaktionen spielen: Bei Covid-19 werden durch das dem Körper unbekannte Virus abnormale Entzündungsreaktionen ausgelöst. Derzeit arbeiten viele Mediziner daran, diese Entzündungsvorgänge zu charakterisieren, um so ein besseres Verständnis der Erkrankung zu bekommen.
In einer kleinen Studie konnte man bei Mitarbeiterinnen des Gesundheitssektors, die nur leichte Krankheitssymptome hatten, auch 40 Tage nach der Genesung noch Biomarker nachweisen, die auf anhaltende Entzündungs- und Stressreaktionen hindeuten [2].
Über welche Symptome klagen die Betroffenen?
Alles beginnt häufig mit einer leichten oder moderaten Erkrankung, mit den typischen Symptomen: leichtes Fieber, Husten, leichte Atemnot, Müdigkeit oder Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns.
Doch bei einigen verschwinden die Symptome einfach nicht mehr. Vor allem die bleierne Müdigkeit (auch als "Fatigue" bezeichnet) besteht zum Teil monatelang und lastet schwer auf den Betroffenen. Fatigue ist mit Abstand die häufigste Langzeitnachwirkung der Corona-Erkrankung. Etwa jeder Siebte, der nach einem milden Krankheitsverlauf Long-Covid entwickelt, leidet darunter. Bei schweren Verläufen klagen sogar 53–71 % über eine anhaltende chronische Erschöpfung [3]. Diese höhere Rate spiegelt mit Sicherheit auch die größere Schwere des Krankheitsverlaufs wider. Betroffene werden massiv in ihrem Tagesablauf beeinträchtigt, in schlimmen Fällen werden selbst einfache Haushaltstätigkeiten zur Last und über die langfristigen Auswirkungen auf das Arbeitsleben lässt sich nur mutmaßen.
Auch der Geruchssinn kehrt bei vielen Betroffenen zum Teil monatelang nicht zurück. Es gibt sogar schon Webseiten mit Kochrezepten für Menschen, die nichts mehr riechen und schmecken können.
Doch hier hört es nicht auf, die Liste der Symptome von Long-Covid ist lang und reicht von Übelkeit, Gewichtsverlust oder zitternden Händen über kognitive Beeinträchtigungen ("Brain fog") bis hin zu einer Herzbeutelentzündung. Einige Betroffene leiden unter Angstgefühlen oder entwickeln Depressionen. In seltenen Fällen scheint es zu einer Verschlechterung von bestehenden Allergien oder sogar zur Ausbildung neuer Allergien zu kommen. Es gibt auch viele Fälle, in denen nach überstandener Corona-Infektion histaminhaltige Lebensmittel schlechter vertragen werden [4].
Wie viele Menschen sind von Long-Covid betroffen?
Anfangs fußten viele Erkenntnisse auf Einzelfallberichten, aber in der Zwischenzeit gibt es immer mehr systematische Studien, die langsam ein etwas klareres Licht auf die Situation werfen:
In einer prospektiven Studie mit mehr als 4000 Teilnehmern klagten nach vier Wochen 13,3 % der Infizierten über anhaltende Symptome [5]. In einer anderen Studie der University of Washington unter Erkrankten, die einen eher milden Krankheitsverlauf hatten, aber ambulant behandelt werden mussten, klagten etwa 30 % der Befragten zum Teil noch Monate nach der Erkrankung über anhaltende Beschwerden [3]. Bei hospitalisierten Patienten – und dementsprechend schwereren Verläufen – liegt diese Rate mit 40 % sogar noch deutlich höher [6].
Insgesamt scheint es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Symptome während der ersten Woche der Infektion und einer langfristigen Nachwirkung von Corona zu geben. Bei mehr als fünf Symptomen besteht eine größere Wahrscheinlichkeit für Long-Covid [5].
Frauen scheinen deutlich häufiger von diesen Langzeitfolgen betroffen zu sein als Männer [5], was möglicherweise auch daran liegt, dass es Unterschiede im Immunsystem von Männern und Frauen gibt.
Hilft die Impfung gegen Long-Covid?
Hier gibt es leider noch erhebliche Datenlücken. Die Daten über die Wirksamkeit der Impfung fokussieren sich derzeit stark auf schwere Krankheitsverläufe und die Vermeidung von Todesfällen. Für Long-Covid wäre allerdings wichtig zu wissen, inwiefern auch Infektionen und milde Krankheitsverläufe verhindert werden. Ohne monatelange Nachbetrachtung lässt sich zu diesem Thema jedoch noch keine statistisch belastbare Aussage treffen.
Wenn man aber vorläufige Daten aus Israel betrachtet, wo schon ein hoher Bevölkerungsanteil geimpft wurde, dann gibt es derzeit starke Hinweise darauf, dass die Impfung sowohl die Krankheitssymptome abschwächt als auch Infektionen verhindert (sterilisierende Immunität) [8]. Falls sich diese Daten bestätigen sollten, dann könnte man durch die Impfung eines ausreichend großen Teils der Bevölkerung wohl auch Long-Covid wirkungsvoll vorbeugen.
Zum Thema Impfung bei Menschen, die bereits an Long-Covid leiden, gibt es derzeit eher gemischte Daten. Sie beruhen weitestgehend auf Einzelfallberichten oder ersten kleineren, zum Teil noch nicht begutachteten Studien. Bei einigen Geimpften scheint sich die Long-Covid-Symptomatik tatsächlich etwas zu verbessern und es ist wahrscheinlich auch bei Long-Covid sinnvoll, sich impfen zu lassen [9]. Es liegen aber auch gegensätzliche Berichte vor, wo die nachträgliche Impfung scheinbar zu einer Intensivierung der Symptome führt [10]. Hier wird die nahe Zukunft hoffentlich ein klareres Bild zeichnen.
Welche Rolle spielen Mastzellen bei Long-Covid?
Eine mögliche Erklärung für Long-Covid könnte eine krankhafte Überaktivität von Mastzellen sein. Mastzellen sind vielen Menschen durch allergische Reaktionen bekannt. Sie sind Abwehrzellen, die praktisch überall im Körper vorkommen, z. B. im Darm, in der Lunge oder in der Haut. Sie speichern bestimmte Botenstoffe (z. B. Histamin), die sie bei Bedarf schlagartig freisetzen können, wenn eine potenzielle Bedrohung durch Gifte, Allergene oder auch Viren erkannt wird. Dadurch werden Entzündungsreaktionen in Gang gesetzt, die wichtig sind, um schädliche Substanzen oder Eindringlinge abzuwehren.
Doch hier ist die Krux: Bei einigen Menschen funktionieren diese Mastzellen nicht richtig und reagieren auf bestimmte Triggerfaktoren überempfindlich. Sie schütten schon bei schwachen Reizen mehr Entzündungsmediatoren aus, als sie eigentlich sollten. Man spricht dabei von einem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS).
Die Erkrankung wird allerdings nur selten richtig erkannt, weil sie so viele Ausprägungen haben kann, je nachdem, welche Körperteile sie betrifft, z. B. die Haut, den Verdauungstrakt oder andere Organsysteme. Nur die wenigsten Betroffenen dürften überhaupt wissen, dass sie eine Mastzellaktivierungsstörung haben. Dabei ist die Erkrankung wahrscheinlich deutlich weiter verbreitet, als vielen bekannt ist: Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 17 % der westlichen Bevölkerung betroffen sind. Ursache dürfte in den meisten Fällen eine genetische Mutation sein [7].
Bei einer SARS-CoV-2-Infektion werden die Mastzellen aktiviert, wobei im Normalfall die Aktivität nach dem Abklingen der Covid-Erkrankung wieder auf ein normales Ausgangsniveau zurücksinkt. Aber bei Long-Covid scheint das nicht der Fall zu sein. Hier bleibt die abnormale Aktivierung der Mastzellen mit den oben genannten Nebenwirkungen bestehen. Möglicherweise führt also die Covid-Infektion dazu, dass eine bereits bestehende, aber unerkannte Mastzell-Erkrankung eskaliert [7].
Kann man sich vor Long-Covid schützen?
Die Rolle der Mastzellen ist aktuell eine Theorie, die aber zumindest plausibel erscheint. Weiteren Studien werden folgen müssen, um zu bestätigen, dass Covid-19 die Aktivität von Mastzellen tatsächlich außer Kontrolle geraten lässt.
Dr. Afrin et al. haben bei ihren MCAS-Patienten soweit keine schweren Verläufe beobachten können, sofern sie medikamentös gut eingestellt waren. Sie empfehlen aber, sobald man eine beginnende Erkrankung bemerkt, sofort als vorbeugende Maßnahme H1- und H2-Antihistaminika einzunehmen, um die überschießende Reaktion der Mastzellen auszubremsen. Diese sind günstig, seit vielen Jahrzehnten bei allergischen Erkrankungen erprobt und haben nur wenige Nebenwirkungen [7].
Auch andere Substanzen, die die Aktivität der Mastzellen stabilisieren, z. B. Cromoglicinsäure oder Aspirin (sofern man es verträgt), können die Erkrankung wahrscheinlich in Zaum halten und Langzeitfolgen verhindern oder abmildern [7].
Was heißt dies alles für Betroffene mit Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) und Histaminintoleranz?
Die Studienlage ist wie beschrieben noch eher dünn. Wenn Sie eine bekannte Mastzellaktivierungsstörung oder eine Histaminintoleranz mit starker Reaktion auf Liberatoren haben, sollte Ihnen das als zusätzlicher Grund für extreme Vorsicht im Umgang mit Covid-19 dienen. Es ist leider davon auszugehen, dass mit zunehmender Impfung der älteren Risikogruppen die Disziplin in der Bevölkerung nachlassen wird, sich an die nach wie vor sinnvollen Corona-Beschränkungen zu halten. Deswegen wird es aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten zu stark steigenden Infektionszahlen – und damit auch zu vielen Long-Covid-Fällen – kommen.
Eine Infektion zu verhindern hat natürlich immer oberste Priorität! Lassen Sie sich unbedingt impfen, sobald dies für Sie möglich ist. Falls Sie sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen infizieren, wenden Sie sich auch bei milden Symptomen sofort an Ihren behandelnden Arzt, damit er Ihnen gegebenenfalls die oben genannten Medikamente verschreiben kann, die Ihre Mastzellen während der Infektion stabilisieren.
Mehr zum Thema Impfung und Covid-19 finden Sie hier: Das Coronavirus und Lebensmittelunverträglichkeiten

In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
Artikel teilen
Zurück zum Blog
Quellen:
[1] https://edition.cnn.com/2021/03/12/health/ron-davis-covid-long-hauler-scn-wellness/index.html (03/2021)
[2] I. Doykov et al., The long tail of Covid-19 – The detection of a prolonged inflammatory response after a SARS-CoV-2 infection in asymptomatic and mildly affected patients, F1000Research 9:1349 (2021), 1–10
[3] J. Logue et al., Sequelae in Adults at 6 Months After COVID-19 Infection, JAMA Network Open. 2021;4(2):e210830. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2021.0830
[4] H. Davies et al., Characterizing Long COVID in an International Cohort: 7 Months of Symptoms and Their Impact, medRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.24.20248802
[5] C. Sudre et al., Attributes and predictors of Long-COVID: analysis of COVID cases and their symptoms 1collected by the Covid Symptoms Study App, doi: https://doi.org/10.1101/2020.10.19.20214494
[6] Research NIfH. Living with Covid19 2020 [updated 15.10.2020. Available from: https://evidence.nihr.ac.uk/themedreview/living-with-covid19/.
[7] L. Afrin et al., Covid-19 hyperinflammation and post-Covid-19 illness may be rooted in mast cell activation syndrome, International Journal of Infectious Diseases 100 (2020), 327–332
[8] https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/mar/12/vaccines-long-covid-health-answers (03/2021)
[9] D. Arnold et al., Are vaccines safe in patients with Long COVID? A prospective observational study, medRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2021.03.11.21253225
[10] https://www.nytimes.com/2021/03/17/health/coronavirus-patients-and-vaccine-effects (03/2021)