Sind Kirschen wirklich das erhoffte Wundermittel bei Gicht?
11.09.20OxiPur
Kirschen wird schon seit Längerem eine gesundheitsförderliche Wirkung bei Gicht nachgesagt. In zahlreichen Foren und Blogeinträgen werden Kirschextrakte sogar als wahres Wundermittel gegen diese Erkrankung beworben. Was ist dran an diesen Versprechungen?
Kirschen haben tatsächlich mehrere interessante Eigenschaften, die sie für Betroffene mit Gicht interessant machen. Da Kirschen einen hohen Gehalt an Zitronensäure enthalten, fördern sie die Ausscheidung von Harnsäure über den Urin. Kirschen enthalten auch Vitamin C, das in hohen Konzentrationen von etwa 500 mg einen positiven Effekt auf die Erkrankung hat – allerdings ist der Vitamin-C-Gehalt in Kirschen mit nur 10 mg/100 g viel zu niedrig, um tatsächlich eine relevante Rolle zu spielen [1].
Die eigentlich interessanten Inhaltsstoffe, die Kirschen bei Gicht so wirkungsvoll machen sollen, sind die sogenannten Anthocyane. Sie sind v. a. in Sauerkirschen in einer hohen Konzentration enthalten, man findet sie aber auch in anderen Lebensmitteln (siehe Tabelle 1).
▲ Tabelle 1: Maximaler Anthocyangehalt von ausgewählten Lebensmitteln [2].
Anthocyane sind pflanzliche Farbstoffe, die für eine intensive dunkelrote, violette oder blaue Färbung sorgen. Sie gehören zur Klasse der Flavonoide, sekundären Pflanzenstoffen, die für den Menschen eine gesundheitsförderliche Wirkung haben.
Anthocyane haben antioxidative Eigenschaften und können so schädliche freie Radikale unwirksam machen. Sie wirken außerdem entzündungshemmend, indem sie mit den Cyclooxygenasen wichtige Enzyme hemmen, die beim Ablauf von Entzündungen eine große Rolle spielen. Damit haben sie in abgeschwächter Form eine ähnliche Wirkung wie viele bekannte Schmerzmittel (z. B. Ibuprofen und Diclofenac), die häufig als erstes Mittel zur Behandlung von Gichtanfällen zum Einsatz kommen [3].
Durch den regelmäßigen Verzehr von Kirschen könnten deswegen zum Teil die Nebenwirkungen von Entzündungsprozessen neutralisiert werden, die bei Gichtkranken durch die Harnsäurekristalle in den Sehnen und Gelenken hervorgerufen werden [1].
Die Annahme, die sich hier aufdrängt, ist somit: Durch den Verzehr von Kirschen könnte man ohne dauerhafte Medikation mehrere Parameter der Erkrankung Gicht positiv beeinflussen und das Risiko für schwere Gichtattacken senken. Einer Studie zufolge wurde ein positiver Effekt bereits ab sechs Kirschen pro Tag beobachtet [3].
Die überaus positiven Wirkungen wurden bislang nur in sehr kleinen Studien bzw. in Onlineumfragen ermittelt. Hier findet leider in der Regel keine ausreichende Zufallszuteilung von Studienteilnehmern statt, was eine starke Verzerrung von Ergebnissen zur Folge haben kann und kaum allgemeingültige Schlüsse zulässt [4].
Interessanterweise finden die extrem euphorischen Berichte auf vielen Webseiten und Foren zur Verwendung von Kirschextrakten bis heute keine Berücksichtigung in den allgemeinen Richtlinien zur Behandlung von Gicht, eben weil die Studienlage leider noch viel zu ungenau ist [5]. Vielmehr entsteht oft sogar der Eindruck, dass die Berichte nur dazu dienen, extrem teure Nahrungsergänzungsmittel mit Kirschextrakten an verzweifelte Betroffene zu verkaufen. Hinzu kommt, dass die Nutzerbewertungen von Nahrungsergänzungsmitteln besonders häufig gefälscht werden, um mit übertriebenen Versprechungen leichtgläubigen Käufern das Geld aus der Tasche zu ziehen [6].
Dabei ist die Verwendung solcher Nahrungsergänzungsmittel nicht unumstritten. Hochdosierte Antioxidantien stehen sogar in der Kritik, da es eben nicht nur schädliche Radikale im Körper gibt, sondern auch nützliche Radikale, die eine wichtige Rolle bei der Zellerneuerung spielen. Auch diese werden durch die antioxidative Wirkung unschädlich gemacht. Deswegen warnt z. B. die Verbraucherzentrale vor dem sorglosen Umgang mit hochdosierten Antioxidantien, da diese unter Umständen sogar eine negative Wirkung haben können [7].
Bereits jetzt gibt es erste Einzelfallberichte, die von chronischen Nierenerkrankungen berichten, die möglicherweise als Folge von hochkonzentrierten Kirschextrakten auftraten. Gefährdet scheinen demnach vor allem Patienten zu sein, die bereits mehrere Medikamente zur Behandlung ihrer Erkrankung einnehmen, also beispielsweise eine durchaus gängige Kombination aus harntreibenden Medikamenten, ACE-Hemmern und Schmerzmitteln [3]. Hier ist besondere Vorsicht geboten, und Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden.
Kirschen und insbesondere Sauerkirschen sind ein äußerst gesunder Snack, dessen Inhaltsstoffe sich bei regelmäßigem Verzehr möglicherweise positiv auf den Krankheitsverlauf einer Gicht auswirken können. Vieles deutet darauf hin, dass Kirschen dabei helfen können, Gichtattacken vorzubeugen. Ob Kirschen und vor allem teure Kirschextrakte allerdings ein Wundermittel sind, mit dessen Hilfe man die Erkrankung einfach in den Griff bekommt, muss stark bezweifelt werden – dazu ist die Studienlage viel zu dürftig. Allerdings spricht nur wenig gegen den regelmäßigen Verzehr von Sauerkirschen, eingelegten Kirschen und (mit Einschränkungen, weil man sehr schnell zu viel Zucker zu sich nimmt) Kirschsaft. Diese enthalten Anthocyane und andere wertvolle Inhaltsstoffe in einer ungefährlichen Konzentration und und können bedenkenlos verzehrt werden.
Man sollte sich aber nicht von Werbeversprechungen blenden lassen, es müssen nicht unbedingt Montmorency-Kirschen sein, die besonders eifrig beworben werden: Auch andere blaue, violette oder dunkelrote Lebensmittel enthalten reichlich Anthocyane, dazu zählen z. B. Brombeeren, Heidelbeeren und Auberginen.
Man sollte allgemein sehr skeptisch gegenüber vielfach gehypten Nahrungsergänzungsmitteln sein, denn hier profitieren meistens leider in erster Linie die Hersteller. Ohne ganzheitlichen Ansatz geht es nicht. Solange man langfristige schlechte Ernährungsgewohnheiten nicht abstellt, wird auch kein Wundermittel helfen.
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Quellen:
[1] Y. Zhang et al., Cherry consumption and decreased risk of recurrent gout attacks, Arthritis & Rheumatism 64:12 (2012), 4004–4011
[2] J. Fleschhut, Untersuchungen zum Metabolismus, zur Bioverfügbarkeit und zur antioxidativen Wirkung von Anthocyanen, Dissertation (2004), Tabellen 1.2 und 1.3., http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:swb:90-26403
[3] M. Matout et al., A case of acute kidney injury secondary to black cherry concentrate in a patient with chronic kidney disease secondary to type 2 diabetes mellitus, CEN Case Reports 8 (2019), 212–215
[4] Pei-En Chen et al., Effectiveness of Cherries in Reducing Uric Acid and Gout: A Systematic Review, Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine (2019), 1–7
[5] https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/faq/projekt-klartext-nem/sauerkirsche-zur-harnsaeuresenkung-33117 (abgerufen 09/2020)
[6] https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/wissen/projekt-klartext-nem/fakerezensionen-in-onlineshops-nahrungsergaenzungen-sind-betroffen-51329
[7] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/antioxidantien-helfer-gegen-freie-radikale-10575 (abgerufen 09/2020)
Was macht Kirschen im Hinblick auf Gicht so besonders?
Kirschen haben tatsächlich mehrere interessante Eigenschaften, die sie für Betroffene mit Gicht interessant machen. Da Kirschen einen hohen Gehalt an Zitronensäure enthalten, fördern sie die Ausscheidung von Harnsäure über den Urin. Kirschen enthalten auch Vitamin C, das in hohen Konzentrationen von etwa 500 mg einen positiven Effekt auf die Erkrankung hat – allerdings ist der Vitamin-C-Gehalt in Kirschen mit nur 10 mg/100 g viel zu niedrig, um tatsächlich eine relevante Rolle zu spielen [1].
Die eigentlich interessanten Inhaltsstoffe, die Kirschen bei Gicht so wirkungsvoll machen sollen, sind die sogenannten Anthocyane. Sie sind v. a. in Sauerkirschen in einer hohen Konzentration enthalten, man findet sie aber auch in anderen Lebensmitteln (siehe Tabelle 1).
Lebensmittel | maximaler Anthocyangehalt [mg/100 g] |
---|---|
Holunderbeeren | 1005 |
Auberginen | 750 |
Heidelbeeren | 515 |
Kirschen | 450 |
Johannisbeeren (schwarz) | 400 |
Brombeeren | 326 |
Blutorangen | 200 |
Erdbeeren | 50 |
Zwiebeln (rot) | 25 |
Johannisbeeren (rot) | 20 |
Senken Anthocyane das Risiko für Gicht-Attacken?
Anthocyane sind pflanzliche Farbstoffe, die für eine intensive dunkelrote, violette oder blaue Färbung sorgen. Sie gehören zur Klasse der Flavonoide, sekundären Pflanzenstoffen, die für den Menschen eine gesundheitsförderliche Wirkung haben.
Anthocyane haben antioxidative Eigenschaften und können so schädliche freie Radikale unwirksam machen. Sie wirken außerdem entzündungshemmend, indem sie mit den Cyclooxygenasen wichtige Enzyme hemmen, die beim Ablauf von Entzündungen eine große Rolle spielen. Damit haben sie in abgeschwächter Form eine ähnliche Wirkung wie viele bekannte Schmerzmittel (z. B. Ibuprofen und Diclofenac), die häufig als erstes Mittel zur Behandlung von Gichtanfällen zum Einsatz kommen [3].
Durch den regelmäßigen Verzehr von Kirschen könnten deswegen zum Teil die Nebenwirkungen von Entzündungsprozessen neutralisiert werden, die bei Gichtkranken durch die Harnsäurekristalle in den Sehnen und Gelenken hervorgerufen werden [1].
Die Annahme, die sich hier aufdrängt, ist somit: Durch den Verzehr von Kirschen könnte man ohne dauerhafte Medikation mehrere Parameter der Erkrankung Gicht positiv beeinflussen und das Risiko für schwere Gichtattacken senken. Einer Studie zufolge wurde ein positiver Effekt bereits ab sechs Kirschen pro Tag beobachtet [3].
Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Wo ist der Haken?
Die überaus positiven Wirkungen wurden bislang nur in sehr kleinen Studien bzw. in Onlineumfragen ermittelt. Hier findet leider in der Regel keine ausreichende Zufallszuteilung von Studienteilnehmern statt, was eine starke Verzerrung von Ergebnissen zur Folge haben kann und kaum allgemeingültige Schlüsse zulässt [4].
Interessanterweise finden die extrem euphorischen Berichte auf vielen Webseiten und Foren zur Verwendung von Kirschextrakten bis heute keine Berücksichtigung in den allgemeinen Richtlinien zur Behandlung von Gicht, eben weil die Studienlage leider noch viel zu ungenau ist [5]. Vielmehr entsteht oft sogar der Eindruck, dass die Berichte nur dazu dienen, extrem teure Nahrungsergänzungsmittel mit Kirschextrakten an verzweifelte Betroffene zu verkaufen. Hinzu kommt, dass die Nutzerbewertungen von Nahrungsergänzungsmitteln besonders häufig gefälscht werden, um mit übertriebenen Versprechungen leichtgläubigen Käufern das Geld aus der Tasche zu ziehen [6].
Mögliche Nebenwirkungen von Kirschextrakten
Dabei ist die Verwendung solcher Nahrungsergänzungsmittel nicht unumstritten. Hochdosierte Antioxidantien stehen sogar in der Kritik, da es eben nicht nur schädliche Radikale im Körper gibt, sondern auch nützliche Radikale, die eine wichtige Rolle bei der Zellerneuerung spielen. Auch diese werden durch die antioxidative Wirkung unschädlich gemacht. Deswegen warnt z. B. die Verbraucherzentrale vor dem sorglosen Umgang mit hochdosierten Antioxidantien, da diese unter Umständen sogar eine negative Wirkung haben können [7].
Bereits jetzt gibt es erste Einzelfallberichte, die von chronischen Nierenerkrankungen berichten, die möglicherweise als Folge von hochkonzentrierten Kirschextrakten auftraten. Gefährdet scheinen demnach vor allem Patienten zu sein, die bereits mehrere Medikamente zur Behandlung ihrer Erkrankung einnehmen, also beispielsweise eine durchaus gängige Kombination aus harntreibenden Medikamenten, ACE-Hemmern und Schmerzmitteln [3]. Hier ist besondere Vorsicht geboten, und Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden.
Fazit
Kirschen und insbesondere Sauerkirschen sind ein äußerst gesunder Snack, dessen Inhaltsstoffe sich bei regelmäßigem Verzehr möglicherweise positiv auf den Krankheitsverlauf einer Gicht auswirken können. Vieles deutet darauf hin, dass Kirschen dabei helfen können, Gichtattacken vorzubeugen. Ob Kirschen und vor allem teure Kirschextrakte allerdings ein Wundermittel sind, mit dessen Hilfe man die Erkrankung einfach in den Griff bekommt, muss stark bezweifelt werden – dazu ist die Studienlage viel zu dürftig. Allerdings spricht nur wenig gegen den regelmäßigen Verzehr von Sauerkirschen, eingelegten Kirschen und (mit Einschränkungen, weil man sehr schnell zu viel Zucker zu sich nimmt) Kirschsaft. Diese enthalten Anthocyane und andere wertvolle Inhaltsstoffe in einer ungefährlichen Konzentration und und können bedenkenlos verzehrt werden.
Man sollte sich aber nicht von Werbeversprechungen blenden lassen, es müssen nicht unbedingt Montmorency-Kirschen sein, die besonders eifrig beworben werden: Auch andere blaue, violette oder dunkelrote Lebensmittel enthalten reichlich Anthocyane, dazu zählen z. B. Brombeeren, Heidelbeeren und Auberginen.
Man sollte allgemein sehr skeptisch gegenüber vielfach gehypten Nahrungsergänzungsmitteln sein, denn hier profitieren meistens leider in erster Linie die Hersteller. Ohne ganzheitlichen Ansatz geht es nicht. Solange man langfristige schlechte Ernährungsgewohnheiten nicht abstellt, wird auch kein Wundermittel helfen.
Sind Sie von Gicht betroffen?
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Quellen:
[1] Y. Zhang et al., Cherry consumption and decreased risk of recurrent gout attacks, Arthritis & Rheumatism 64:12 (2012), 4004–4011
[2] J. Fleschhut, Untersuchungen zum Metabolismus, zur Bioverfügbarkeit und zur antioxidativen Wirkung von Anthocyanen, Dissertation (2004), Tabellen 1.2 und 1.3., http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:swb:90-26403
[3] M. Matout et al., A case of acute kidney injury secondary to black cherry concentrate in a patient with chronic kidney disease secondary to type 2 diabetes mellitus, CEN Case Reports 8 (2019), 212–215
[4] Pei-En Chen et al., Effectiveness of Cherries in Reducing Uric Acid and Gout: A Systematic Review, Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine (2019), 1–7
[5] https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/faq/projekt-klartext-nem/sauerkirsche-zur-harnsaeuresenkung-33117 (abgerufen 09/2020)
[6] https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/wissen/projekt-klartext-nem/fakerezensionen-in-onlineshops-nahrungsergaenzungen-sind-betroffen-51329
[7] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/antioxidantien-helfer-gegen-freie-radikale-10575 (abgerufen 09/2020)