Ist Lactose in Medikamenten problematisch bei Lactose­intoleranz?

Milch­zucker steckt, wie der Name schon sagt in Milch­produkten, aber auch in vielen verarbeiteten Lebens­mitteln, von denen man es gar nicht erwarten würde. Auch bei vielen Medikamenten findet man in der Liste der Inhalts­stoffe Lactose, wodurch viele Betroffene mit Lactose­intoleranz stark verunsichert sind. Wir möchten deswegen gerne darauf eingehen, aus welchen Gründen Medikamente Lactose enthalten, und ob die enthaltene Menge für Betroffene problematisch sein kann.

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Medikamente werden in ganz unter­schiedlichen Formen verabreicht: der weitaus größte Anteil von etwa 80 % in Form von Tabletten oder Kapseln. Andere Darreichungs­formen wie Salben, Flüssig­keiten oder Aerosole, spielen in dieser Betrachtung keine Rolle, da sie in der Regel lactose­frei sind.


Welche Rolle haben Hilfs­stoffe in Medikamenten?


In Tabletten findet neben dem eigentlichen Wirk­stoff auch zahlreiche Hilfs­stoffe, die ganz unter­schiedliche Aufgaben übernehmen. Es gibt Geschmacks­stoffe, die den unangenehmen Geschmack des Wirk­stoffes überdecken. Andere Stoffe helfen dabei, die Tabletten leichter zu schlucken oder dienen als Schutz vor der aggressiven Magen­säure.

Die Hilfs­stoffe sind dabei keine aktiven Substanzen, sie müssen aber chemisch stabil sein und dürfen nicht mit dem Wirk­stoff reagieren, da dadurch die Wirksam­keit beeinträchtigt werden könnte. Letzten Endes ist ihr Zweck nur, dass der Arznei­stoff unbeschadet sein Ziel erreicht. Die Hilfsstoffe machen häufig den größten Teil einer Tablette aus, denn vom Wirk­stoff reichen meistens wenige Milli­gramm aus.


Warum verwendet man Lactose als Hilfs­stoff für Arzneien?


Lactose übernimmt in der Regel die Rolle eines Füll­stoffes, mit dem man Tabletten ein bestimmtes Volumen verleihen kann. Weitere häufige Füllstoffe sind z. B. Stärke oder Cellulosen. Für die Pharmaindustrie ist Milch­zucker sehr interessant, weil er günstig ist, einen angenehmen, leicht süßlichen Geschmack hat und chemisch nicht mit dem Wirkstoff reagiert.

Etwa 20 % der verschreibungs­pflichtigen Medikamente enthalten deswegen Lactose – leider auch Präparate, die bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden – und dadurch häufig auch von Menschen mit Lactose­intoleranz verwendet werden.


Medikamente unter­liegen strenger Kennzeichnungs­pflicht


Die gute Nachricht: Die Kenn­zeichnungs­pflicht für Medikamente ist sehr streng und Lactose muss in der Liste der Inhalts­stoffe ausgewiesen werden. In Medikamenten, wo dies nicht der Fall ist, ist auch keine Lactose enthalten.

Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht: Der Milchzucker wird zwar gekenn­zeichnet, aber es gibt keinerlei Indikation über die Menge. Als Betroffener hängt man deswegen erstmal völlig in der Luft. Auch Ärzte wissen häufig gar nicht, dass die von ihnen verschriebenen Arzneien Lactose enthalten, weil sie nur einen Wirkstoff und kein konkretes Präparat verschreiben.


Wieviel Lactose steckt in einer Tablette?


Eine Studie von P. Eadala et al. analysierte mehrere gängige Medikamente zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen und fand in den Tabletten, in denen Lactose als Hilfs­stoff ausgewiesen wurde, zwischen 0,004 g (bei Losec, einem Magensäure­hemmer) und 0,6 g Milch­zucker (bei Budenofalk, einem Medikament zur Behandlung von Morbus Crohn). 0,6 g Lactose in einer Tablette waren in der Studie aber eher eine Ausnahme. Der weitaus überwiegende Teil der untersuchten Tabletten hat einen Lactosegehalt in der Größenordnung von 0,05–0,1 g pro Tablette. In der Regel ist Lactose nur einer von mehreren verwendeten Hilfs­stoffen, deswegen ist die Lactose­menge vergleichs­weise gering und macht nur einen Bruch­teil der Gesamt­masse einer Tablette aus.


Wieviel Lactose nimmt man über Medikamente zu sich?


Wie viel Lactose man über Medikamente zu sich nimmt, hängt nicht nur von der Menge in einer Tablette ab, sondern von der Anzahl der Tabletten, die man täglich insgesamt einnimmt. Je nach empfohlener Dosierung können das mehrere Tabletten am Tag sein.

Bei den meisten lactose­haltigen Medikamenten liegt man in einem Bereich von 0,2–0,5 g Lactose, wenn man die maximal empfohlene Dosierung einnimmt. Das entspricht ungefähr der Menge Milch­zucker in einem Esslöffel Milch. Deutlich mehr Lactose nimmt man eigentlich nur zu sich, wenn man sehr viele Tabletten (mehr als 10) pro Tag einnimmt – beispiels­weise durch mehrere Medikamente gleichzeitig.


Fazit: Beschwerden durch Lactose in Medikamenten sind selten


Den meisten Betroffenen mit alters­bedingt nachlassender Enzym­aktivität (primäre Lactose­intoleranz) sollte diese Menge aber keine Beschwerden bereiten, da sie in der Regel noch ein kleines Glas Milch (entsprechend etwa 12 g Lactose) trinken können. Auch für die meisten Menschen mit sekundärer Lactose­intoleranz sind Mengen in der Größen­ordnung von einem Gramm nicht problematisch, vor allem, wenn sie über den Tag verteilt aufge­nommen werden.

Man sollte bedenken, dass die Lactose in Medikamenten zusätzlich zur Menge im Essen eingenommen wird – man könnte die insgesamt aufgenommene Menge deswegen womöglich unter­schätzen.

Bei sehr schweren Fällen, gerade in Kombination mit entzündlichen Darm­erkrankungen, sind allerdings Beschwerden nach der Medikament­einnahme bereits ab einer Menge von nur etwa 0,2 g Lactose dokumentiert worden. Bei diesen Fällen könnte also die in Medikamenten enthaltene Menge an Lactose tatsächlich Beschwerden verursachen. Hier sollte man die Menge mit Hilfe unserer Faust­formel abschätzen und gegebenen­falls auf lactose­freie Medikamente zurück­greifen.

Für die Abschätzung der Lactose­menge empfehlen wir die Formel:

Anzahl eingenommene Tabletten x 0,1 g Lactose = Lactosemenge/Tag

Mit fünf lactosehaltigen Tabletten nimmt man also schätzungs­weise 0,5 g Lactose zu sich.

Vorsicht sollte man auch bei Lactulose walten lassen, das als Abführ­mittel zum Einsatz kommt. Es hat sehr ähnliche Eigen­schaften wie Lactose und kann in der empfohlenen Dosierung heftige Verdauungs­beschwerden auslösen.


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Quellen:
  1. C. Garrigues et al., A Survey of Lactose Content in Drugs used for Hepatitis C Treatment, Eur J Hosp Pharm 25 (Suppl 1) (2018), A1–A263
  2. Y. Deng et al., Lactose Intolerance in Adults: Biological Mechanism and Dietary Management, Nutrients 7 (2015), 8020–8035
  3. P. Eadala et al., Quantifying the 'hidden' lactose in drugs used for the treatment of gastrointestinal conditions, Alimentary Pharmacology & Therapeutics 29 (2008), 677–687
  4. M. Facioni et al., Nutritional Management of Lactose Intolerance: The Importance of Diet and Food Labelling, Journal of Translational Medicine 18:260 (2020), 1–9
  5. D. Tsuruta et al., Fixed food eruption caused by lactose identified after oral administration of four unrelated drugs, J Am Acad Dermatol 52 (2005), 370–371

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Photo by Stephen Foster on Unsplash