Ist Lactose in Medikamenten problematisch bei Lactoseintoleranz?
06.10.22Histamin Fructose & Co.
Milchzucker steckt, wie der Name schon sagt in Milchprodukten, aber auch in vielen verarbeiteten Lebensmitteln, von denen man es gar nicht erwarten würde. Auch bei vielen Medikamenten findet man in der Liste der Inhaltsstoffe Lactose, wodurch viele Betroffene mit Lactoseintoleranz stark verunsichert sind. Wir möchten deswegen gerne darauf eingehen, aus welchen Gründen Medikamente Lactose enthalten, und ob die enthaltene Menge für Betroffene problematisch sein kann.
Medikamente werden in ganz unterschiedlichen Formen verabreicht: der weitaus größte Anteil von etwa 80 % in Form von Tabletten oder Kapseln. Andere Darreichungsformen wie Salben, Flüssigkeiten oder Aerosole, spielen in dieser Betrachtung keine Rolle, da sie in der Regel lactosefrei sind.
In Tabletten findet neben dem eigentlichen Wirkstoff auch zahlreiche Hilfsstoffe, die ganz unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Es gibt Geschmacksstoffe, die den unangenehmen Geschmack des Wirkstoffes überdecken. Andere Stoffe helfen dabei, die Tabletten leichter zu schlucken oder dienen als Schutz vor der aggressiven Magensäure.
Die Hilfsstoffe sind dabei keine aktiven Substanzen, sie müssen aber chemisch stabil sein und dürfen nicht mit dem Wirkstoff reagieren, da dadurch die Wirksamkeit beeinträchtigt werden könnte. Letzten Endes ist ihr Zweck nur, dass der Arzneistoff unbeschadet sein Ziel erreicht. Die Hilfsstoffe machen häufig den größten Teil einer Tablette aus, denn vom Wirkstoff reichen meistens wenige Milligramm aus.
Lactose übernimmt in der Regel die Rolle eines Füllstoffes, mit dem man Tabletten ein bestimmtes Volumen verleihen kann. Weitere häufige Füllstoffe sind z. B. Stärke oder Cellulosen. Für die Pharmaindustrie ist Milchzucker sehr interessant, weil er günstig ist, einen angenehmen, leicht süßlichen Geschmack hat und chemisch nicht mit dem Wirkstoff reagiert.
Etwa 20 % der verschreibungspflichtigen Medikamente enthalten deswegen Lactose – leider auch Präparate, die bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden – und dadurch häufig auch von Menschen mit Lactoseintoleranz verwendet werden.
Die gute Nachricht: Die Kennzeichnungspflicht für Medikamente ist sehr streng und Lactose muss in der Liste der Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. In Medikamenten, wo dies nicht der Fall ist, ist auch keine Lactose enthalten.
Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht: Der Milchzucker wird zwar gekennzeichnet, aber es gibt keinerlei Indikation über die Menge. Als Betroffener hängt man deswegen erstmal völlig in der Luft. Auch Ärzte wissen häufig gar nicht, dass die von ihnen verschriebenen Arzneien Lactose enthalten, weil sie nur einen Wirkstoff und kein konkretes Präparat verschreiben.
Eine Studie von P. Eadala et al. analysierte mehrere gängige Medikamente zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen und fand in den Tabletten, in denen Lactose als Hilfsstoff ausgewiesen wurde, zwischen 0,004 g (bei Losec, einem Magensäurehemmer) und 0,6 g Milchzucker (bei Budenofalk, einem Medikament zur Behandlung von Morbus Crohn). 0,6 g Lactose in einer Tablette waren in der Studie aber eher eine Ausnahme. Der weitaus überwiegende Teil der untersuchten Tabletten hat einen Lactosegehalt in der Größenordnung von 0,05–0,1 g pro Tablette. In der Regel ist Lactose nur einer von mehreren verwendeten Hilfsstoffen, deswegen ist die Lactosemenge vergleichsweise gering und macht nur einen Bruchteil der Gesamtmasse einer Tablette aus.
Wie viel Lactose man über Medikamente zu sich nimmt, hängt nicht nur von der Menge in einer Tablette ab, sondern von der Anzahl der Tabletten, die man täglich insgesamt einnimmt. Je nach empfohlener Dosierung können das mehrere Tabletten am Tag sein.
Bei den meisten lactosehaltigen Medikamenten liegt man in einem Bereich von 0,2–0,5 g Lactose, wenn man die maximal empfohlene Dosierung einnimmt. Das entspricht ungefähr der Menge Milchzucker in einem Esslöffel Milch. Deutlich mehr Lactose nimmt man eigentlich nur zu sich, wenn man sehr viele Tabletten (mehr als 10) pro Tag einnimmt – beispielsweise durch mehrere Medikamente gleichzeitig.
Den meisten Betroffenen mit altersbedingt nachlassender Enzymaktivität (primäre Lactoseintoleranz) sollte diese Menge aber keine Beschwerden bereiten, da sie in der Regel noch ein kleines Glas Milch (entsprechend etwa 12 g Lactose) trinken können. Auch für die meisten Menschen mit sekundärer Lactoseintoleranz sind Mengen in der Größenordnung von einem Gramm nicht problematisch, vor allem, wenn sie über den Tag verteilt aufgenommen werden.
Man sollte bedenken, dass die Lactose in Medikamenten zusätzlich zur Menge im Essen eingenommen wird – man könnte die insgesamt aufgenommene Menge deswegen womöglich unterschätzen.
Bei sehr schweren Fällen, gerade in Kombination mit entzündlichen Darmerkrankungen, sind allerdings Beschwerden nach der Medikamenteinnahme bereits ab einer Menge von nur etwa 0,2 g Lactose dokumentiert worden. Bei diesen Fällen könnte also die in Medikamenten enthaltene Menge an Lactose tatsächlich Beschwerden verursachen. Hier sollte man die Menge mit Hilfe unserer Faustformel abschätzen und gegebenenfalls auf lactosefreie Medikamente zurückgreifen.
Vorsicht sollte man auch bei Lactulose walten lassen, das als Abführmittel zum Einsatz kommt. Es hat sehr ähnliche Eigenschaften wie Lactose und kann in der empfohlenen Dosierung heftige Verdauungsbeschwerden auslösen.
In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
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Medikamente werden in ganz unterschiedlichen Formen verabreicht: der weitaus größte Anteil von etwa 80 % in Form von Tabletten oder Kapseln. Andere Darreichungsformen wie Salben, Flüssigkeiten oder Aerosole, spielen in dieser Betrachtung keine Rolle, da sie in der Regel lactosefrei sind.
Welche Rolle haben Hilfsstoffe in Medikamenten?
In Tabletten findet neben dem eigentlichen Wirkstoff auch zahlreiche Hilfsstoffe, die ganz unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Es gibt Geschmacksstoffe, die den unangenehmen Geschmack des Wirkstoffes überdecken. Andere Stoffe helfen dabei, die Tabletten leichter zu schlucken oder dienen als Schutz vor der aggressiven Magensäure.
Die Hilfsstoffe sind dabei keine aktiven Substanzen, sie müssen aber chemisch stabil sein und dürfen nicht mit dem Wirkstoff reagieren, da dadurch die Wirksamkeit beeinträchtigt werden könnte. Letzten Endes ist ihr Zweck nur, dass der Arzneistoff unbeschadet sein Ziel erreicht. Die Hilfsstoffe machen häufig den größten Teil einer Tablette aus, denn vom Wirkstoff reichen meistens wenige Milligramm aus.
Warum verwendet man Lactose als Hilfsstoff für Arzneien?
Lactose übernimmt in der Regel die Rolle eines Füllstoffes, mit dem man Tabletten ein bestimmtes Volumen verleihen kann. Weitere häufige Füllstoffe sind z. B. Stärke oder Cellulosen. Für die Pharmaindustrie ist Milchzucker sehr interessant, weil er günstig ist, einen angenehmen, leicht süßlichen Geschmack hat und chemisch nicht mit dem Wirkstoff reagiert.
Etwa 20 % der verschreibungspflichtigen Medikamente enthalten deswegen Lactose – leider auch Präparate, die bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt werden – und dadurch häufig auch von Menschen mit Lactoseintoleranz verwendet werden.
Medikamente unterliegen strenger Kennzeichnungspflicht
Die gute Nachricht: Die Kennzeichnungspflicht für Medikamente ist sehr streng und Lactose muss in der Liste der Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. In Medikamenten, wo dies nicht der Fall ist, ist auch keine Lactose enthalten.
Es gibt allerdings auch eine schlechte Nachricht: Der Milchzucker wird zwar gekennzeichnet, aber es gibt keinerlei Indikation über die Menge. Als Betroffener hängt man deswegen erstmal völlig in der Luft. Auch Ärzte wissen häufig gar nicht, dass die von ihnen verschriebenen Arzneien Lactose enthalten, weil sie nur einen Wirkstoff und kein konkretes Präparat verschreiben.
Wieviel Lactose steckt in einer Tablette?
Eine Studie von P. Eadala et al. analysierte mehrere gängige Medikamente zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen und fand in den Tabletten, in denen Lactose als Hilfsstoff ausgewiesen wurde, zwischen 0,004 g (bei Losec, einem Magensäurehemmer) und 0,6 g Milchzucker (bei Budenofalk, einem Medikament zur Behandlung von Morbus Crohn). 0,6 g Lactose in einer Tablette waren in der Studie aber eher eine Ausnahme. Der weitaus überwiegende Teil der untersuchten Tabletten hat einen Lactosegehalt in der Größenordnung von 0,05–0,1 g pro Tablette. In der Regel ist Lactose nur einer von mehreren verwendeten Hilfsstoffen, deswegen ist die Lactosemenge vergleichsweise gering und macht nur einen Bruchteil der Gesamtmasse einer Tablette aus.
Wieviel Lactose nimmt man über Medikamente zu sich?
Wie viel Lactose man über Medikamente zu sich nimmt, hängt nicht nur von der Menge in einer Tablette ab, sondern von der Anzahl der Tabletten, die man täglich insgesamt einnimmt. Je nach empfohlener Dosierung können das mehrere Tabletten am Tag sein.
Bei den meisten lactosehaltigen Medikamenten liegt man in einem Bereich von 0,2–0,5 g Lactose, wenn man die maximal empfohlene Dosierung einnimmt. Das entspricht ungefähr der Menge Milchzucker in einem Esslöffel Milch. Deutlich mehr Lactose nimmt man eigentlich nur zu sich, wenn man sehr viele Tabletten (mehr als 10) pro Tag einnimmt – beispielsweise durch mehrere Medikamente gleichzeitig.
Fazit: Beschwerden durch Lactose in Medikamenten sind selten
Den meisten Betroffenen mit altersbedingt nachlassender Enzymaktivität (primäre Lactoseintoleranz) sollte diese Menge aber keine Beschwerden bereiten, da sie in der Regel noch ein kleines Glas Milch (entsprechend etwa 12 g Lactose) trinken können. Auch für die meisten Menschen mit sekundärer Lactoseintoleranz sind Mengen in der Größenordnung von einem Gramm nicht problematisch, vor allem, wenn sie über den Tag verteilt aufgenommen werden.
Man sollte bedenken, dass die Lactose in Medikamenten zusätzlich zur Menge im Essen eingenommen wird – man könnte die insgesamt aufgenommene Menge deswegen womöglich unterschätzen.
Bei sehr schweren Fällen, gerade in Kombination mit entzündlichen Darmerkrankungen, sind allerdings Beschwerden nach der Medikamenteinnahme bereits ab einer Menge von nur etwa 0,2 g Lactose dokumentiert worden. Bei diesen Fällen könnte also die in Medikamenten enthaltene Menge an Lactose tatsächlich Beschwerden verursachen. Hier sollte man die Menge mit Hilfe unserer Faustformel abschätzen und gegebenenfalls auf lactosefreie Medikamente zurückgreifen.
Für die Abschätzung der Lactosemenge empfehlen wir die Formel:
Anzahl eingenommene Tabletten x 0,1 g Lactose = Lactosemenge/Tag
Mit fünf lactosehaltigen Tabletten nimmt man also schätzungsweise 0,5 g Lactose zu sich.
Anzahl eingenommene Tabletten x 0,1 g Lactose = Lactosemenge/Tag
Mit fünf lactosehaltigen Tabletten nimmt man also schätzungsweise 0,5 g Lactose zu sich.
Vorsicht sollte man auch bei Lactulose walten lassen, das als Abführmittel zum Einsatz kommt. Es hat sehr ähnliche Eigenschaften wie Lactose und kann in der empfohlenen Dosierung heftige Verdauungsbeschwerden auslösen.
In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
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Quellen:
- C. Garrigues et al., A Survey of Lactose Content in Drugs used for Hepatitis C Treatment, Eur J Hosp Pharm 25 (Suppl 1) (2018), A1–A263
- Y. Deng et al., Lactose Intolerance in Adults: Biological Mechanism and Dietary Management, Nutrients 7 (2015), 8020–8035
- P. Eadala et al., Quantifying the 'hidden' lactose in drugs used for the treatment of gastrointestinal conditions, Alimentary Pharmacology & Therapeutics 29 (2008), 677–687
- M. Facioni et al., Nutritional Management of Lactose Intolerance: The Importance of Diet and Food Labelling, Journal of Translational Medicine 18:260 (2020), 1–9
- D. Tsuruta et al., Fixed food eruption caused by lactose identified after oral administration of four unrelated drugs, J Am Acad Dermatol 52 (2005), 370–371
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Photo by Stephen Foster on Unsplash