Mögliche Ursachen für Reizdarm

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Reizdarm ist eine chronische Erkrankung des Darmes, die zu immer wieder­kehrenden Bauch­schmerzen und Verdauungs­beschwerden führt. In der westlichen Welt sind schätzungs­weise 10 bis 20 % der Bevölkerung betroffen. Lange Zeit war die Diagnose von Reiz­darm eine Art von Ausschluss­diagnose, sie wurde gestellt, wenn keine anderen Erkrankungen des Verdauungs­traktes festge­stellt werden konnten. Es wurden bestimmte Kriterien aufgestellt, um verschiedenen Subtypen voneinander abzugrenzen: Ein Teil der Betroffenen leidet an Durchfall, bei anderen kommt es hingegen zu Verstopfung – auch gemischte Beschwerden sind möglich, bei denen sich Durchfall und Verstopfung abwechseln (siehe Abbildung 1).

Reizdarm Subtypen Durchfall Verstopfung
Abbildung 1: Unterscheidung verschiedener Reiz­darm­subtypen.


Mögliche Ursachen für das Reiz­darm­syndrom


Die genaue Ursache für Reizdarm liegt noch weitest­gehend im Dunklen, aber es ist sehr wahr­scheinlich, dass sich hinter dieser Diagnose eine Kombination von verschiedenen Erkrankungen verbergen kann. In der Regel kann man bei Reiz­darm­patienten keine offensicht­lichen Entzündungen oder Verletzungen des Verdauungs­traktes finden, deswegen ging man lange Zeit von einer rein psychischen Erkrankung aus. Dieser Stand­punkt wandelt sich aber immer mehr – sowohl organische Ursachen als auch psychische Ursachen spielen eine Rolle:

Bakterielle Fehl­besiedlung des Darms
Unser Darm ist von einer unglaublichen Menge an Mikro­organismen besiedelt, die zusammen mit dem Menschen eine nützliche Lebens­gemein­schaft bilden. Durch die Gabe von Antibiotika, Infektionen, Konservierungs­stoffe, Umwelt­gifte, sterile Lebens­bedingungen oder ungesunde Ernährung kann die Zusammen­setzung des Mikro­bioms empfindlich gestört werden. Einer geschwächten Darm­flora kommt bei der Entstehung des Reiz­darm­syndroms eine entscheidende Rolle zu. So kann z. B. eine bakterielle Über­wucherung des Dünn­darms dazu führen, dass bestimmte Kohlen­hydrate bereits im Dünn­darm fermentiert werden, der eigentlich gar nicht dafür vorgesehen ist. Dadurch kann es zu heftigen Neben­wirkungen, z. B. Blähungen oder Durch­fällen kommen. Nur eine gesunde Darm­flora bietet optimalen Schutz und verhindert, dass der Darm durch­lässig für unerwünschte Stoffe wird.

Gesteigerte Empfindlich­keit des Darms auf Dehnungs­reize
Reizdarm­patienten reagieren häufig mit einer gesteigerten Empfindlichkeit auf Dehnungs­reize im Darm. Der Dünn­darm reagiert dabei generell empfindlicher. Durch eine Fehl­besiedlung des Dünn­darms kann es dort zu einer bakteriellen Fermentierung von unverdauten Kohlen­hydraten kommen. Die dabei entstehenden Verdauungs­gase dehnen den Darm, was für die Betroffenen äußerst unangenehm ist. Im Dickdarm entstehen Dehnungs­reize ebenfalls durch Verdauungs­gase, aber hier ist v. a. die unvollständige Entwässerung des Stuhls problematisch. Das unverhältnis­mäßig hohe Volumen erzeugt ein unangenehmes Gefühl bei den Betroffenen, das erst nach der Darm­entleerung abklingt.

Störungen in der Beweglichkeit des Darms (Darm­motilität)
Der Speisebrei wird im Darm durch Muskel­kontraktionen weitergeleitet. Abhängig von der Zusammen­setzung wird die Nahrung unterschiedlich schnell durch den Darm geschleust. Bei Reiz­darm ist die Darm­motilität häufig gestört. Das führt dazu, dass der Speise­brei zu schnell oder zu langsam weiter­transportiert wird. Eine verminderte Peristaltik führt unter anderem zu einem sichtbar aufgeblähten Bauch, da Gase nicht richtig abtransportiert werden. Trotz der verlangsamten Darm­bewegung kann es vorkommen, dass der Stuhl nicht richtig eingedickt wird und sowohl Verstopfung als auch Durch­fälle auftreten. Bei einer erhöhten Darm­motilität können die Verdauungs­enzyme u. U. nicht lange genug einwirken. Unverdaute Fette und nicht resorbierte Gallen­säure können dann sog. Fett­stühle und Durch­fälle hervorrufen.

Entzündungen in der Darm­schleimhaut
Als Spätfolge von Infektionen mit bestimmten krankheits­auslösenden Darm­keimen kann es zum sog. post­infektiösen Reizdarm­syndrom kommen. Betroffene leiden außerdem häufig an Depressionen oder anderen psychischen Folgen. Auslöser für die Symptome sind wahrscheinlich unter­schwellige entzündliche Reaktionen in der Darm­schleimhaut.

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Erhöhte Anzahl von Mast­zellen in der Darm­schleim­haut
Neuen Befunden zufolge weisen bis zu 25 % der Reizdarm­patienten in der Darm­schleim­haut eine erhöhte Anzahl von Mast­zellen und anderen an der Immun­abwehr beteiligten Zellen auf. Da diese häufig in der Nähe von Nerven­enden sitzen, kann die Aktivierung dieser Zellen für die Betroffenen höchst unangenehme Folgen haben.

Darm-Hirn-Achse
Ein ganz anderer Aspekt ist die Verbindung zwischen dem Darm und dem Gehirn. Aus Experimenten weiß man, dass sich der Darm auf die Signal­verarbeitung im Gehirn auswirken kann, diese Verknüpfung gilt jedoch auch in umgekehrter Richtung. Psychischer Stress kann die Freisetzung von Entzündungs­mediatoren bewirken, die die Durch­lässigkeit der Darm­schleim­haut erhöhen. Dadurch dann eine wahre Kaskade an Neben­wirkungen ausgelöst werden, weil Fremd­substanzen aus dem Darm in den Blut­kreis­lauf gelangen können.

Reiz­darm­patienten leiden über­durch­schnittlich oft an Depressionen. Es konnte aber in Studien gezeigt werden, dass beim überwiegenden Teil der Betroffenen zuerst eine Magen-Darm-Erkrankung besteht und sich erst als Folge daraus eine psychische Erkrankung ausbildet. Dennoch ist auch der umgekehrte Weg möglich und der Reiz­darm kann als Folge eines persönlichen Schick­sal­schlages oder Traumas entstehen.


Rolle von Histamin, FODMAPs und anderen Faktoren


Viele Betroffene assoziieren das Auftreten ihrer Symptome mit bestimmten Lebens­mitteln. Allerdings war die Rolle, die die Ernährung spielt, lange Zeit unklar. Erst neuere Forschungs­ergebnisse haben wieder Schwung in die Diskussion gebracht: Eine Gruppe von australischen Wissen­schaftlern hatte entdeckt, dass kurz­kettige und schlecht absorbierbare Kohlen­hydrate und Zucker­alkohole (sog. FODMAPs) bei vielen Betroffenen Reizdarm­beschwerden auslösen. In der Tat leiden viele Reiz­darm­patienten an einer Lactose- bzw. Fructos­eintoleranz, allerdings können die Beschwerden auch unabhängig von dieser Diagnose auftreten. Die FODMAP-reduzierte Ernährung ist ein Ansatz, der über die Vermeidung von Fructose und Lactose hinaus­geht und momentan wahr­scheinlich die viel­versprechendste Strategie, um Reiz­darm­beschwerden in den Griff zu bekommen.

Doch auch andere Ernährungs­faktoren spielen eine Rolle und erfordern deswegen eine individuell zugeschnittene Ernährungs­strategie. In der folgenden Abbildung finden Sie eine Übersicht, welche Ernährungs­faktoren aktuell als Auslöser von Reiz­darm­beschwerden diskutiert werden.

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Abbildung 2: Ernährung als möglicher Auslöser von Reiz­darm­beschwerden.

Bei bis zu 25 % der Reiz­darm­patienten funktioniert der Histamin­abbau nur einge­schränkt, weswegen eine hohe Aufnahme an Histamin und anderen biogenen Aminen problematisch sein kann. Echte Lebens­mittel­allergien sind hingegen eher selten, nur etwa 2 % der Reiz­darm­patienten leiden an Lebens­mittel­allergien. Die Rolle von Salicylaten ist hingegen noch weitest­gehend unklar.

Da sich hinter Reiz­darm kein einheit­liches Krankheits­bild verbirgt, weichen auch die Anforderungen an die Ernährung voneinander ab. Bei durchfall­dominantem Reiz­darm­syndrom ist es empfehlens­wert, kleinere Mahl­zeiten zu sich zu nehmen und auf sehr fett­reiche Mahl­zeiten bzw. frittierte Lebens­mittel zu verzichten, da unver­daute Fette und nicht resorbierte Gallen­säure starke Beschwerden auslösen können. Alkohol wird v. a. bei durchfall­dominantem Reiz­darm sehr schlecht vertragen und sollte deswegen von Betroffenen möglichst gemieden werden.


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Quellen:
  1. A. Ford et al., Irritable Bowel Syndrome, N Engl J Med 376 (2017), 2566–2578
  2. M. van Tilburg et al., Which psychological factors exacerbate irritable bowel syndrome? Development of a comprehensive model, Journal of Psychosomatic Research 74 (2013), 486–492
  3. N. Principi et al., Gut dysbiosis and irritable bowel syndrome: The potential role of probiotics, Journal of Infection 76 (2018), 111–120
  4. D. Schumann et al., Low fermentable, oligo-, di-, mono-saccharides and polyol diet in the treatment of irritable bowel syndrome: A systematic review and meta-analysis, Nutrition 45 (2018), 24–31
  5. O. Leiß, Fiber, Food Intolerances, FODMAPs, Gluten und funktionelle Darmerkrankungen – Update 2014, Z Gastroenterol 52 (2014), 1277–1298

Bildquelle:
Photo by Olivier Collet on Unsplash