Präbiotika bei Reizdarm oder Unverträglichkeiten – eine vielversprechende Therapie?
23.06.23Histamin Fructose & Co.
Immer mehr Menschen leiden an Darmerkrankungen oder -störungen, darunter beispielsweise das Reizdarmsyndrom, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder auch Nahrungsmittelintoleranzen. Ein Faktor scheint in allen Fällen eine zentrale Rolle zu spielen: das Mikrobiom im Darm.
Hier konnten in vielen Studien Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora zwischen kranken und gesunden Menschen nachgewiesen werden. Häufig ist die Anzahl der nützlichen Darmbewohner herabgesetzt und die Anzahl krankmachender Keime erhöht. Deswegen wird weltweit geforscht, ob man durch verschiedene Therapieansätze die Zusammensetzung der Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen kann, z. B. durch Probiotika, Präbiotika, Synbiotika oder im Extremfall durch Stuhltransplantationen.
Über Probiotika haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. In diesem Artikel widmen wir uns dem spannenden Thema Präbiotika.
Präbiotika sind Nahrungsbestandteile, die der menschliche Körper nicht selbst verdauen kann. Stattdessen dienen sie nützlichen Bakterien im Dickdarm als Nahrung und fördern dadurch ihr Wachstum. Man macht sich zunutze, dass sich bestimmte Bakterienstämme selektiv vermehren, wenn man ihnen ein bestimmtes Substrat zur Verfügung stellt, andere Stämme profitieren hingegen nicht oder wenig von den Präbiotika.
In Tabelle 1 finden sie einige ausgewählte Beispiele für Substanzen mit präbiotischen Eigenschaften:
▲ Tabelle 1: Verschiedene probiotische Substanzen und ihr natürliches Vorkommen.
Bei der Fermentation dieser Stoffe im Dickdarm entstehen kurzkettige Fettsäuren (z. B. Butyrat oder Propionat), die die Darmschleimhaut ernähren und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Für die Darmgesundheit ist es also enorm wichtig, dass die Darmbakterien ausreichend Nahrungssubstrat erhalten.
In vielen unverarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln sind diese Substanzen natürlicherweise in geringen Mengen enthalten. Leider ist dies in hochverarbeiteten Lebensmitteln häufig nicht der Fall. Stattdessen enthalten die Lebensmittel viel zu viele leicht verdauliche Kohlenhydrate, die der Darmflora kaum Nahrung bieten – und noch dazu Konservierungsstoffe, die die Darmflora sogar noch weiter schwächen und zu einer regelrechten Verarmung der Artenvielfalt führen.
Auch stark eingeschränkte Diäten, z. B. Low-Carb oder Paleo, bergen Gefahr, wenn dadurch die Zufuhr an fermentierbaren Darmnährstoffen beschränkt wird.
Mit Präbiotika verfolgt man den Ansatz, die Artenvielfalt im Darm wieder zu stärken. Dazu werden die interessanten Nahrungsbestandteile aus natürlichen Lebensmitteln isoliert und als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen.
Präbiotika sind in der Lage, das Wachstum von schädlichen Bakterien im Darm einzudämmen, indem sie selektiv das Wachstum von nützlichen Bakterien stimulieren. Das führt zum Beispiel zu deutlich reduzierten Darmbeschwerden, da gasbildende Bakterien wie Clostridium spp. gehemmt werden.
Durch die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren wird die Darmbarrierefunktion stabilisiert und im Optimalfall verbessert sich dadurch auch wieder die Verträglichkeit vieler Lebensmittel. Der pH-Wert im Darm wird gesenkt und das Wachstum von Milchsäurebakterien wird stimuliert. Diese Bakterien produzieren viele nützliche Stoffwechselprodukte für uns.
Insgesamt trifft man häufig auf den Ratschlag, dass man doch mehr Ballaststoffe essen sollte. Hier muss man aber klar unterscheiden, denn nicht alle Ballaststoffe sind gleich wertvoll. Zellulose, ein unlöslicher Ballaststoff, kann beispielsweise nur von wenigen Bakterien im Darm verwertet werden und hat deswegen wenig Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora.
Deutlich vielversprechender klingen die positiven Effekte durch Präbiotika. Die Studienergebnisse legen aber auch nahe, dass eine zu hohe Dosierung von Präbiotika zwar die Zahl der erwünschten Bakterien erhöhen kann, aber zugleich auch heftige Nebenwirkungen in Form von Verdauungsbeschwerden zur Folge haben kann. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten und gerade zu Beginn einer Therapie mit niedrigen Mengen an Präbiotika anfangen. Im Laufe der Zeit kann man dann die Dosis steigern, ohne dass es zu starken Nebenwirkungen kommt.
Bei der Verwendung von Präbiotika im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel setzt man in der Regel auf die in Tabelle 1 genannten. Trotzdem haben auch viele andere Substanzen präbiotische Eigenschaften. Darunter sind auch Fructose, Lactose, Fruktane oder Sorbit, die unter dem Akronym FODMAP zusammengefasst werden.
Bei der Low-FODMAP-Diät wird also die Zufuhr von präbiotischen Substanzen stark reduziert. Wenn man FODMAP-haltige Lebensmittel aus dem Speiseplan streicht, entzieht man der Darmflora zwar nicht die ganze, aber doch einen wichtigen Teil ihrer Nahrung. Kurzfristig kann das sinnvoll sein, um die Symptome von Reizdarm in den Griff zu bekommen. Langfristig muss man aber darauf achten, dass man genügend fermentierbares Material zu sich nimmt.
Dies kann man z. B. dadurch erreichen, dass man die Zufuhr an FODMAPs langsam wieder steigert. Unsere App erlaubt deswegen die einzelnen FODMAP-Komponenten getrennt zu konfigurieren – so kann man z. B. selektiv nur die mengenmäßig größten Quellen wie Fructose oder Lactose meiden.
Eine andere vielversprechende Option ist die Einnahme von Probiotika oder Präbiotika, die dabei helfen können Verdauungsbeschwerden zu reduzieren. Es gibt Substrate, die im Vergleich zu FODMAPs nur langsam fermentiert werden und dadurch besser vertragen werden. So muss man keine Angst haben, dass man nützlichen Darmbakterien ihre Nahrungsgrundlage entzieht. Durch eine gesunde Darmflora werden in der Regel auch FODMAPs wieder besser vertragen.
Der Einsatz von Präbiotika kann dabei helfen, die Darmgesundheit wieder zu verbessern. Im Gegensatz zu Probiotika werden dabei nicht gezielt Bakterien eingenommen, die in Studien vielversprechende Resultate zeigen. Stattdessen werden bereits im Darm vorkommende nützliche Bakterien indirekt über die Zufuhr geeigneter Substrate vermehrt.
Das hat Vor- und Nachteile. Eine positive Wirkung ist nur zu erwarten, wenn man es schafft nur selektiv nützliche Bakterien zu stimulieren. Das gelingt in der Regel mit allen oben genannten präbiotischen Substanzen. Es kann allerdings nicht gezielt ein einzelnes Bakterium mit besonders vielversprechenden Eigenschaften angesprochen werden. Hier liegt der Vorteil klar bei Probiotika.
Andererseits kann man mit Präbiotika dafür das Wachstum von Bakterien stimulieren, die sehr empfindlich sind und nicht als Probiotikum verabreicht werden können, z. B. weil sie keinen Sauerstoff vertragen. Dies ermöglicht vielversprechende neue Therapieoptionen abseits der bisher häufig eingesetzten Milchsäurebakterien. Trotzdem ist es schwierig die Darmflora zu stabilisieren und erfordert viel Zeit. Ob die erzielten positiven Effekte dann auch wirklich nachhaltig sind, oder was die ideale präbiotische Substratzusammensetzung ist, muss allerdings noch weiter erforscht werden.
In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
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Hier konnten in vielen Studien Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora zwischen kranken und gesunden Menschen nachgewiesen werden. Häufig ist die Anzahl der nützlichen Darmbewohner herabgesetzt und die Anzahl krankmachender Keime erhöht. Deswegen wird weltweit geforscht, ob man durch verschiedene Therapieansätze die Zusammensetzung der Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen kann, z. B. durch Probiotika, Präbiotika, Synbiotika oder im Extremfall durch Stuhltransplantationen.
Über Probiotika haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. In diesem Artikel widmen wir uns dem spannenden Thema Präbiotika.
Was sind Präbiotika?
Präbiotika sind Nahrungsbestandteile, die der menschliche Körper nicht selbst verdauen kann. Stattdessen dienen sie nützlichen Bakterien im Dickdarm als Nahrung und fördern dadurch ihr Wachstum. Man macht sich zunutze, dass sich bestimmte Bakterienstämme selektiv vermehren, wenn man ihnen ein bestimmtes Substrat zur Verfügung stellt, andere Stämme profitieren hingegen nicht oder wenig von den Präbiotika.
In Tabelle 1 finden sie einige ausgewählte Beispiele für Substanzen mit präbiotischen Eigenschaften:
Präbiotika | Vorkommen |
---|---|
Oligosaccharide | |
Fructo-Oligosaccharide (FOS), z. B. Oligofructose, Inulin | Bananen, Zwiebeln, Zichorienwurzel, Knoblauch, Spargel, Jícama und Lauch. Einige Getreidearten wie Weizen und Gerste |
Galacto-Oligosaccharide (GOS) | Milch, Hülsenfrüchte |
Polysaccharide | |
Resistente Stärke | Getreide, Kartoffeln (vom Vortag) |
Flosine-Schleimpolysaccharide | Flohsamenschalen |
Pektin | Obst und Gemüse |
Arabinogalactan | Milchsaft der Akazie |
Bei der Fermentation dieser Stoffe im Dickdarm entstehen kurzkettige Fettsäuren (z. B. Butyrat oder Propionat), die die Darmschleimhaut ernähren und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Für die Darmgesundheit ist es also enorm wichtig, dass die Darmbakterien ausreichend Nahrungssubstrat erhalten.
In vielen unverarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln sind diese Substanzen natürlicherweise in geringen Mengen enthalten. Leider ist dies in hochverarbeiteten Lebensmitteln häufig nicht der Fall. Stattdessen enthalten die Lebensmittel viel zu viele leicht verdauliche Kohlenhydrate, die der Darmflora kaum Nahrung bieten – und noch dazu Konservierungsstoffe, die die Darmflora sogar noch weiter schwächen und zu einer regelrechten Verarmung der Artenvielfalt führen.
Auch stark eingeschränkte Diäten, z. B. Low-Carb oder Paleo, bergen Gefahr, wenn dadurch die Zufuhr an fermentierbaren Darmnährstoffen beschränkt wird.
Mit Präbiotika verfolgt man den Ansatz, die Artenvielfalt im Darm wieder zu stärken. Dazu werden die interessanten Nahrungsbestandteile aus natürlichen Lebensmitteln isoliert und als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen.
Welche Wirkungen haben Präbiotika?
Präbiotika sind in der Lage, das Wachstum von schädlichen Bakterien im Darm einzudämmen, indem sie selektiv das Wachstum von nützlichen Bakterien stimulieren. Das führt zum Beispiel zu deutlich reduzierten Darmbeschwerden, da gasbildende Bakterien wie Clostridium spp. gehemmt werden.
Durch die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren wird die Darmbarrierefunktion stabilisiert und im Optimalfall verbessert sich dadurch auch wieder die Verträglichkeit vieler Lebensmittel. Der pH-Wert im Darm wird gesenkt und das Wachstum von Milchsäurebakterien wird stimuliert. Diese Bakterien produzieren viele nützliche Stoffwechselprodukte für uns.
Viel hilft nicht immer viel
Insgesamt trifft man häufig auf den Ratschlag, dass man doch mehr Ballaststoffe essen sollte. Hier muss man aber klar unterscheiden, denn nicht alle Ballaststoffe sind gleich wertvoll. Zellulose, ein unlöslicher Ballaststoff, kann beispielsweise nur von wenigen Bakterien im Darm verwertet werden und hat deswegen wenig Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora.
Deutlich vielversprechender klingen die positiven Effekte durch Präbiotika. Die Studienergebnisse legen aber auch nahe, dass eine zu hohe Dosierung von Präbiotika zwar die Zahl der erwünschten Bakterien erhöhen kann, aber zugleich auch heftige Nebenwirkungen in Form von Verdauungsbeschwerden zur Folge haben kann. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten und gerade zu Beginn einer Therapie mit niedrigen Mengen an Präbiotika anfangen. Im Laufe der Zeit kann man dann die Dosis steigern, ohne dass es zu starken Nebenwirkungen kommt.
Ist auch die FODMAP-arme Ernährung gefährlich?
Bei der Verwendung von Präbiotika im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel setzt man in der Regel auf die in Tabelle 1 genannten. Trotzdem haben auch viele andere Substanzen präbiotische Eigenschaften. Darunter sind auch Fructose, Lactose, Fruktane oder Sorbit, die unter dem Akronym FODMAP zusammengefasst werden.
Bei der Low-FODMAP-Diät wird also die Zufuhr von präbiotischen Substanzen stark reduziert. Wenn man FODMAP-haltige Lebensmittel aus dem Speiseplan streicht, entzieht man der Darmflora zwar nicht die ganze, aber doch einen wichtigen Teil ihrer Nahrung. Kurzfristig kann das sinnvoll sein, um die Symptome von Reizdarm in den Griff zu bekommen. Langfristig muss man aber darauf achten, dass man genügend fermentierbares Material zu sich nimmt.
Dies kann man z. B. dadurch erreichen, dass man die Zufuhr an FODMAPs langsam wieder steigert. Unsere App erlaubt deswegen die einzelnen FODMAP-Komponenten getrennt zu konfigurieren – so kann man z. B. selektiv nur die mengenmäßig größten Quellen wie Fructose oder Lactose meiden.
Eine andere vielversprechende Option ist die Einnahme von Probiotika oder Präbiotika, die dabei helfen können Verdauungsbeschwerden zu reduzieren. Es gibt Substrate, die im Vergleich zu FODMAPs nur langsam fermentiert werden und dadurch besser vertragen werden. So muss man keine Angst haben, dass man nützlichen Darmbakterien ihre Nahrungsgrundlage entzieht. Durch eine gesunde Darmflora werden in der Regel auch FODMAPs wieder besser vertragen.
Fazit:
Der Einsatz von Präbiotika kann dabei helfen, die Darmgesundheit wieder zu verbessern. Im Gegensatz zu Probiotika werden dabei nicht gezielt Bakterien eingenommen, die in Studien vielversprechende Resultate zeigen. Stattdessen werden bereits im Darm vorkommende nützliche Bakterien indirekt über die Zufuhr geeigneter Substrate vermehrt.
Das hat Vor- und Nachteile. Eine positive Wirkung ist nur zu erwarten, wenn man es schafft nur selektiv nützliche Bakterien zu stimulieren. Das gelingt in der Regel mit allen oben genannten präbiotischen Substanzen. Es kann allerdings nicht gezielt ein einzelnes Bakterium mit besonders vielversprechenden Eigenschaften angesprochen werden. Hier liegt der Vorteil klar bei Probiotika.
Andererseits kann man mit Präbiotika dafür das Wachstum von Bakterien stimulieren, die sehr empfindlich sind und nicht als Probiotikum verabreicht werden können, z. B. weil sie keinen Sauerstoff vertragen. Dies ermöglicht vielversprechende neue Therapieoptionen abseits der bisher häufig eingesetzten Milchsäurebakterien. Trotzdem ist es schwierig die Darmflora zu stabilisieren und erfordert viel Zeit. Ob die erzielten positiven Effekte dann auch wirklich nachhaltig sind, oder was die ideale präbiotische Substratzusammensetzung ist, muss allerdings noch weiter erforscht werden.
In unserer App Histamin, Fructose & Co. finden Sie wertvolle Hilfestellung zum Thema Ernährung bei Lebensmittelunverträglichkeiten. Erhältlich für iOS und Android.
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Quellen:
- E. Simon et al., Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics: Implications and Beneficial Effects against Irritable Bowel Syndrome, Nutrients 13:2112 (2021), 1–27
- M. Schink et al., Microbial patterns in patients with histamine intolerance, Journal of Physiology and Pharmacology 69:4 (2018), 579–593
- H. Wastyk et al., Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status, Cell 184 (2021), 4137–4153
- Y. Ho et al., Evaluation of the prebiotic effects of citrus pectin hydrolysate, Journal of food and drug analysis 25:3 (2017), 550–558
- J. Jalanka et al., The Effect of Psyllium Husk on Intestinal Microbiota in Constipated Patients and Healthy Controls, Int. J. Mol. Sci 20:433 (2019), 1–12
- M. Pesce et al., Next-Generation Probiotics for Inflammatory Bowel Disease, Int. J. Mol. Sci. 2022, 23(10), 5466
- K. Hiipala et al., The Potential of Gut Commensals in Reinforcing Intestinal Barrier Function and Alleviating Inflammation, Nutrients 10(8) (2018), 988
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