Präbiotika bei Reiz­darm oder Unver­träglich­keiten – eine viel­ver­sprechende Therapie?

Immer mehr Menschen leiden an Darm­erkrankungen oder -störungen, darunter beispiels­weise das Reiz­darm­syndrom, chronisch-entzündliche Darm­erkrankungen oder auch Nahrungs­mittel­intoleranzen. Ein Faktor scheint in allen Fällen eine zentrale Rolle zu spielen: das Mikro­biom im Darm.

praebiotika

Hier konnten in vielen Studien Unterschiede in der Zusammen­setzung der Darm­flora zwischen kranken und gesunden Menschen nachge­wiesen werden. Häufig ist die Anzahl der nützlichen Darm­bewohner herab­gesetzt und die Anzahl krank­machender Keime erhöht. Deswegen wird welt­weit geforscht, ob man durch verschiedene Therapie­ansätze die Zusammen­setzung der Darm­flora wieder ins Gleich­gewicht bringen kann, z. B. durch Probiotika, Präbiotika, Synbiotika oder im Extremfall durch Stuhl­trans­plantationen.

Über Probiotika haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. In diesem Artikel widmen wir uns dem spannenden Thema Präbiotika.


Was sind Präbiotika?


Präbiotika sind Nahrungs­bestand­teile, die der mensch­liche Körper nicht selbst verdauen kann. Statt­dessen dienen sie nütz­lichen Bakterien im Dick­darm als Nahrung und fördern dadurch ihr Wachstum. Man macht sich zunutze, dass sich bestimmte Bakterien­stämme selektiv vermehren, wenn man ihnen ein bestimmtes Substrat zur Verfügung stellt, andere Stämme profitieren hingegen nicht oder wenig von den Präbiotika.

In Tabelle 1 finden sie einige ausge­wählte Beispiele für Substanzen mit präbiotischen Eigen­schaften:

PräbiotikaVorkommen
Oligosaccharide
Fructo-Oligosaccharide (FOS), z. B. Oligofructose, InulinBananen, Zwiebeln, Zichorienwurzel, Knoblauch, Spargel, Jícama und Lauch. Einige Getreidearten wie Weizen und Gerste
Galacto-Oligosaccharide (GOS)Milch, Hülsenfrüchte
Polysaccharide
Resistente StärkeGetreide, Kartoffeln (vom Vortag)
Flosine-SchleimpolysaccharideFlohsamenschalen
PektinObst und Gemüse
ArabinogalactanMilchsaft der Akazie
Tabelle 1: Verschiedene probiotische Substanzen und ihr natürliches Vorkommen.

Bei der Fermentation dieser Stoffe im Dick­darm entstehen kurz­kettige Fett­säuren (z. B. Butyrat oder Propionat), die die Darm­schleim­haut ernähren und entzündungs­hemmende Eigen­schaften haben. Für die Darm­gesund­heit ist es also enorm wichtig, dass die Darm­bakterien ausreichend Nahrungs­substrat erhalten.

In vielen unverarbeiteten pflanzlichen Lebens­mitteln sind diese Substanzen natürlicher­weise in geringen Mengen enthalten. Leider ist dies in hoch­verarbeiteten Lebens­mitteln häufig nicht der Fall. Statt­dessen enthalten die Lebens­mittel viel zu viele leicht verdauliche Kohlenhydrate, die der Darmflora kaum Nahrung bieten – und noch dazu Konservierungs­stoffe, die die Darm­flora sogar noch weiter schwächen und zu einer regel­rechten Verarmung der Arten­vielfalt führen.

Auch stark einge­schränkte Diäten, z. B. Low-Carb oder Paleo, bergen Gefahr, wenn dadurch die Zufuhr an fermentier­baren Darm­nährstoffen beschränkt wird.

Mit Präbiotika verfolgt man den Ansatz, die Arten­vielfalt im Darm wieder zu stärken. Dazu werden die interessanten Nahrungs­bestandteile aus natürlichen Lebens­mitteln isoliert und als Nahrungs­ergänzungsmittel einge­nommen.


Welche Wirkungen haben Präbiotika?


Präbiotika sind in der Lage, das Wachs­tum von schädlichen Bakterien im Darm einzu­dämmen, indem sie selektiv das Wachstum von nützlichen Bakterien stimulieren. Das führt zum Beispiel zu deutlich reduzierten Darm­beschwerden, da gas­bildende Bakterien wie Clostridium spp. gehemmt werden.

Durch die Bildung von kurz­kettigen Fett­säuren wird die Darm­barriere­funktion stabilisiert und im Optimal­fall verbessert sich dadurch auch wieder die Verträglichkeit vieler Lebens­mittel. Der pH-Wert im Darm wird gesenkt und das Wachstum von Milchsäure­bakterien wird stimuliert. Diese Bakterien produzieren viele nützliche Stoffwechsel­produkte für uns.


Viel hilft nicht immer viel


Insgesamt trifft man häufig auf den Rat­schlag, dass man doch mehr Ballast­stoffe essen sollte. Hier muss man aber klar unterscheiden, denn nicht alle Ballast­stoffe sind gleich wertvoll. Zellulose, ein unlöslicher Ballaststoff, kann beispielsweise nur von wenigen Bakterien im Darm verwertet werden und hat deswegen wenig Einfluss auf die Zusammen­setzung der Darmflora.

Deutlich viel­versprechender klingen die positiven Effekte durch Präbiotika. Die Studien­ergebnisse legen aber auch nahe, dass eine zu hohe Dosierung von Präbiotika zwar die Zahl der erwünschten Bakterien erhöhen kann, aber zugleich auch heftige Neben­wirkungen in Form von Verdauungs­beschwerden zur Folge haben kann. Dies sollte man immer im Hinter­kopf behalten und gerade zu Beginn einer Therapie mit niedrigen Mengen an Präbiotika anfangen. Im Laufe der Zeit kann man dann die Dosis steigern, ohne dass es zu starken Neben­wirkungen kommt.


Ist auch die FODMAP-arme Ernährung gefährlich?


Bei der Verwendung von Präbiotika im Bereich der Nahrungs­ergänzungs­mittel setzt man in der Regel auf die in Tabelle 1 genannten. Trotzdem haben auch viele andere Substanzen präbiotische Eigen­schaften. Darunter sind auch Fructose, Lactose, Fruktane oder Sorbit, die unter dem Akronym FODMAP zusammen­gefasst werden.

Bei der Low-FODMAP-Diät wird also die Zufuhr von präbiotischen Substanzen stark reduziert. Wenn man FODMAP-haltige Lebens­mittel aus dem Speise­plan streicht, entzieht man der Darm­flora zwar nicht die ganze, aber doch einen wichtigen Teil ihrer Nahrung. Kurzfristig kann das sinnvoll sein, um die Symptome von Reiz­darm in den Griff zu bekommen. Langfristig muss man aber darauf achten, dass man genügend fermentier­bares Material zu sich nimmt.

Dies kann man z. B. dadurch erreichen, dass man die Zufuhr an FODMAPs langsam wieder steigert. Unsere App erlaubt deswegen die einzelnen FODMAP-Komponenten getrennt zu konfigurieren – so kann man z. B. selektiv nur die mengen­mäßig größten Quellen wie Fructose oder Lactose meiden.

Eine andere viel­versprechende Option ist die Einnahme von Probiotika oder Präbiotika, die dabei helfen können Verdauungs­beschwerden zu reduzieren. Es gibt Substrate, die im Vergleich zu FODMAPs nur langsam fermentiert werden und dadurch besser vertragen werden. So muss man keine Angst haben, dass man nützlichen Darm­bakterien ihre Nahrungs­grundlage entzieht. Durch eine gesunde Darm­flora werden in der Regel auch FODMAPs wieder besser vertragen.


Fazit:


Der Einsatz von Präbiotika kann dabei helfen, die Darm­gesundheit wieder zu verbessern. Im Gegen­satz zu Probiotika werden dabei nicht gezielt Bakterien eingenommen, die in Studien vielver­sprechende Resultate zeigen. Statt­dessen werden bereits im Darm vorkommende nützliche Bakterien indirekt über die Zufuhr geeigneter Substrate vermehrt.

Das hat Vor- und Nachteile. Eine positive Wirkung ist nur zu erwarten, wenn man es schafft nur selektiv nützliche Bakterien zu stimulieren. Das gelingt in der Regel mit allen oben genannten präbiotischen Substanzen. Es kann allerdings nicht gezielt ein einzelnes Bakterium mit besonders vielver­sprechenden Eigen­schaften ange­sprochen werden. Hier liegt der Vorteil klar bei Probiotika.

Andererseits kann man mit Präbiotika dafür das Wachstum von Bakterien stimulieren, die sehr empfindlich sind und nicht als Probiotikum verabreicht werden können, z. B. weil sie keinen Sauer­stoff vertragen. Dies ermöglicht vielver­sprechende neue Therapie­optionen abseits der bisher häufig einge­setzten Milch­säure­bakterien. Trotzdem ist es schwierig die Darm­flora zu stabilisieren und erfordert viel Zeit. Ob die erzielten positiven Effekte dann auch wirklich nach­haltig sind, oder was die ideale präbiotische Substrat­zusammen­setzung ist, muss aller­dings noch weiter erforscht werden.


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Quellen:
  1. E. Simon et al., Probiotics, Prebiotics, and Synbiotics: Implications and Beneficial Effects against Irritable Bowel Syndrome, Nutrients 13:2112 (2021), 1–27
  2. M. Schink et al., Microbial patterns in patients with histamine intolerance, Journal of Physiology and Pharmacology 69:4 (2018), 579–593
  3. H. Wastyk et al., Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status, Cell 184 (2021), 4137–4153
  4. Y. Ho et al., Evaluation of the prebiotic effects of citrus pectin hydrolysate, Journal of food and drug analysis 25:3 (2017), 550–558
  5. J. Jalanka et al., The Effect of Psyllium Husk on Intestinal Microbiota in Constipated Patients and Healthy Controls, Int. J. Mol. Sci 20:433 (2019), 1–12
  6. M. Pesce et al., Next-Generation Probiotics for Inflammatory Bowel Disease, Int. J. Mol. Sci. 2022, 23(10), 5466
  7. K. Hiipala et al., The Potential of Gut Commensals in Reinforcing Intestinal Barrier Function and Alleviating Inflammation, Nutrients 10(8) (2018), 988

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