Probiotika und Histaminintoleranz

Die Frage, ob Probiotika bei Histamin­intoleranz helfen können, interessiert viele unserer Nutzer. Im Handel findet man Präparate, die angeblich besonders gut bei Histamin­intoleranz geeignet sind. Andere Präparate gelten als ungeeignet, weil sie Milch­säure­bakterien enthalten, die Histamin bilden können. Wir erklären, welche Erkennt­nisse es über die Darm­flora bei Histamin­intoleranz gibt – und ob wo es noch Wissens­lücken gibt.

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Histamin­produzierende Darm­flora?


Bisher geht man davon aus, dass eine gesenkte DAO-Kapazität im Darm die Haupt­ursache für Histamin­intoleranz ist. In der Darm­schleim­haut werden nicht genügend histamin­abbauende Enzyme produziert, wodurch Histamin, das natürlicher­weise in vielen Lebens­mitteln enthalten ist, nicht aus­reichend neutralisiert werden kann. Ein weiterer, bislang noch wenig beachteter Faktor, könnten Darm­bakterien mit der Fähig­keit Histamin zu produzieren sein. Es wird vermutet, dass diese durch ihre Stoff­wechsel­aktivität ebenfalls den Histamin­spiegel im Darm anheben könnten.


Histamin­produktion durch Milch­säure­bakterien


Es gibt unter den für uns nützlichen Milch­säure­bakterien viele Stämme, die ein Gen in sich tragen, das sie zur Synthese von Histamin befähigt. Viele dieser Bakterien kommen natürlicher­weise in unserer Darm­flora vor und sind gut erforscht, weil sie bei der Herstellung von fermentierten Lebens­mitteln, z. B. Joghurt, Käse oder Salami verwendet werden. Auch in Probiotika sind sie häufig enthalten.

Bekannte Vertreter der Milch­säure­bakterien, die Histamin bilden können sind z. B.
  • Lactobacillus casei (fermentierte Milchprodukte)
  • Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus (Joghurtherstellung)
  • Limosilactobacillus reuteri (Sauerteig)
Das Vor­handen­sein dieser Bakterien kann theoretisch auch zu einem erhöhten Histamin­spiegel im Darm beitragen. Ob diese das auch in relevantem Maß­stab tun, ist aller­dings sehr umstritten. An dieser Stelle wird man im Internet schnell mit voreiligen Schlüssen von Laien konfrontiert, die Probiotika mit diesen Bakterien als gänzlichen ungeeignet für Menschen mit Histamin­intoleranz aburteilen. Es lohnt es sich deswegen genau anzu­schauen, was man über die Darm­flora bei Histamin­intoleranz weiß.


Unterscheidet sich die Darm­flora von Gesunden und Menschen mit Histamin­intoleranz?


Bei Menschen mit Histamin­intoleranz gibt es nachweis­bare Veränderungen im Mikro­biom. So ist beispiels­weise die Anzahl der Fäulnis­bakterien (Proteobacteria) erhöht. Dem­gegen­über ist die Zahl der Milch­säure­bakterien und Bifido­bakterien bei Histamin­intoleranz deutlich verringert. Eine erhöhte Anzahl an Proteobacteria ist in der Regel ein Indikator für eine Dysbiose, ein Ungleich­gewicht in der Darm­flora. Eine Über­wucherung mit Fäulnis­bakterien verursacht nieder­schwellige Darm­entzündungen, wodurch die Darm­barrierefunktion beein­trächtigt wird und einen Teil ihrer Schutz­wirkung gegenüber unerwünschten Verbindungen einbüßt – z. B. Histamin.


Schädlicher Einfluss von Lakto­bazillen unwahr­scheinlich


Die oben genannten Punkte sprechen dagegen, dass Lakto­bazillen in einem Zusammen­hang mit einer krank­haften Erhöhung des Histamin­spiegels im Darm stehen. Keiner der unter­suchten Studien­teilnehmer mit Histamin­intoleranz hatte eine erhöhte Anzahl an histamin­produzierenden Lakto­bazillen, wohin­gegen es Auffällig­keiten bei der Zahl der Fäulnis­bakterien gab. Diese zählen nach­weiß­lich zu den Histamin­produzenten und bei Asthmatikern konnte bereits ein Zusammenhang zwischen Asthma­anfällen und einer stark histamin­produzierenden Darmflora mit diesen Bakterien nachge­wiesen werden.

Das Gen für Histamin­synthese ist zudem spezifisch für einen Bakterien­stamm, nicht für eine Bakterien­art. Allein für L. casei sind über 370 verschiedene Stämme beschrieben, und nur weil einer davon das Histamin-Gen hat, heißt das noch lange nicht, dass dies auch für andere gilt. Ein Beispiel: Beim kommerziell groß­flächig verwendeten Stamm L. reuteri DSM 17938 konnte beispiels­weise kein Histamin-Gen nachge­wiesen werden, obwohl es bei anderen Vertretern der Art vorkommt (siehe Auflistung oben). Man müsste also jeden einzelnen Stamm separat untersuchen, um hier eine Aussage treffen zu können.


Ungeeignete Probiotika-Stämme?


Ob ein Bakterium geeignet für ein Probiotikum ist, sollte nicht nur am Vorhanden­sein eines Gens für Histamin­synthese festge­macht werden. Denn auch bei "histamin­produzierenden" Lakto­bazillen wurde in Studien eine entzündungs­hemmende Wirkung, z. B. bei chronischen Darm­entzündungen, beobachtet. Milch­säure­bakterien modulieren das Immun­system, halten Entzündungen im Zaum, sondern viele nützliche Stoff­wechsel­produkte ab oder können sogar Histamin abbauen – kurz gesagt: sie sind für uns vorteil­haft. Diese nützliche Wirkung dürfte eine potenziell negative Wirkung mehr als ausgleichen.


Wie suche ich geeignete Probiotika aus?


Die Aktivität unseres Immun­systems wird bestimmt von einem Gleich­gewicht zwischen symbiotischen und pathogenen Faktoren. Bei vielen Erkrankungen ist dieses Gleich­gewicht aus den Fugen geraten und die Darm­flora zeigt dabei krank­hafte Veränderungen. Durch die Dysbiose kommt es zu Entzündungen in der Darm­schleim­haut, die am Ende die DAO-Synthese empfindlich stören können.

Bei gesunden Menschen findet man im Vergleich deutlich mehr Lakto­bazillen und Bifido­bakterien, Bakterien, die durch ihre Stoff­wechsel­produkte dazu beitragen, dass der Darm gesund bleibt. Mit Probiotika kann man verschiedene für uns günstige Bakterien­stämme selektiv von außen zuführen, um die Darm­flora zu stabilisieren. Immer mehr Beweise zeigen, dass bestimmte Bakterien eine krankheits­vorbeugende Wirkung haben.

Für einzelne probiotische Stämme wurde ein stimulierender Effekt auf die Darm­barriere­funktion nachge­wiesen. Besonders gut erforscht ist diese Wirkung für Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium bifidum), die Darm­beschwerden wie Durch­fall oder Verstopfung verbessern können. Bifido­bakterien können übrigens kein Histamin bilden. Unab­hängig davon deutet aktuell nichts darauf hin, dass probiotische Stämme, die das Gen für Histamin­synthese in sich tragen, einen negativen Effekt auf Histamin­intoleranz haben.

Mittler­weile gibt es eine unüberschaubare Anzahl an Probiotika, davon sollte man sich aber nicht verun­sichern lassen. Auch günstige Präparate aus dem Drogerie­markt enthalten oft wirkungs­volle probiotische Stämme. Man muss also nicht unbedingt teure Präparate kaufen, v. a. weil Probiotika ihre Wirkung nur über einen langen Einnahme­zeitraum entfalten und deswegen die Kosten durchaus ein relevanter Faktor sein können. Bei der Auswahl geeigneter Präparate kann häufig auch ein spezialisierter Fach­arzt oder die Apotheke weiter­helfen.

Weitere interessante Fakten zu Probiotika bei Lebensmittelintoleranzen finden Sie in diesem Blogartikel!


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Quellen:
  1. M. Hrubisko et al., Histamine Intolerance—The More We Know the Less We Know. A Review, Nutrients 13:2228 (2021), 1–21
  2. https://gold.jgi.doe.gov/­organisms?page=1&asc=­Organism.­Organism­+Name&­Study.­Relevance.­ID_options=or&­Organism.­Organism+­Name=­Lactobacillus+casei&­count=500
  3. W. Barcik et al., Immune regulation by histamine and histamine-secreting bacteria, Current Opinion in Immunology 48 (2017), 108–113
  4. M. Schink et al., Microbial patterns in patients with histamine intolerance, Journal of Physiology and Pharmacology 69:4 (2018), 579–593
  5. H. Wastyk et al., Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status, Cell 184 (2021), 4137–4153

Bild:
Photo by Christina Victoria Craft on Unsplash