Sind Erythrit, Xylit und Stevia bei Fructose­­intoleranz geeignet?

Haushalts­zucker ist chemisch gesehen Saccharose, die aus je einem Glucose- und einem Fructose­molekül zusammen­gesetzt ist. Er besteht also zur Hälfte aus Frucht­zucker. Viele Menschen mit einer Fructose­unverträglich­keit trauen sich deswegen nicht mehr auf Lebens­mittel zurückzu­greifen, die mit Zucker gesüßt wurden. Statt­dessen greifen sie auf teure Zucker­ersatzstoffe zurück, die häufig gezielt als fructose­freie Alternative vermarktet werden. Wir sehen uns ein paar Zucker­alternativen genauer an und bewerten, ob diese wirklich besser als klassischer Zucker sind.

haushaltszucker

Wir stellen im Folgenden diese Zucker­alternativen vor:
  • Birkenzucker (Xylit)
  • Erythrit
  • Stevia
Sie haben alle gemeinsam, dass sie den Blutzucker­spiegel kaum oder gar nicht ansteigen lassen, was sie z. B. für Diabetiker interessant macht. Zwei der Kandidaten sind Zucker­alkohole, Stevia hingegen ist ein kalorien­freier Süßstoff. In diesem Zusammen­hang wird auch häufig Kokosblüten­zucker genannt, der in seiner Zusammen­setzung eher mit Zucker oder Honig vergleichbar ist. Wir haben ihn bereits in einem separaten Blog-Artikel vorgestellt.

Nicht alle Zucker­alkohole sind für den Verzehr großer Mengen geeignet, da sie im Darm zum Teil nur sehr langsam durch einen passiven Prozess absorbiert werden. Deswegen basieren die meisten Zucker­alternativen auf Xylit und Erythrit, die noch zu den am besten verträglichen Zucker­alkoholen zählen.


Hoher Preis


birkenzucker-xylit

Zucker ist überall verfügbar und vor allem äußerst günstig. Davon kann bei den meisten Zucker­alternativen mit Sicherheit keine Rede sein. Die Hersteller lassen sich ihre Werbe­versprechen teuer bezahlen. In der Regel zahlt man für den Zucker­ersatz um die 15 €/kg, wobei einzelne Produkte in Bioqualität absurde Preise von zum Teil über 50 €/kg abrufen. Hier muss man leider von Abzocke sprechen, v. a. weil die die Produkte teilweise in günstigen groß­industriellen Verfahren aus preiswerten Zutaten oder sogar aus landwirtschaft­lichen Rest­stoffen hergestellt werden.

ProduktPreis [€/kg]
Birkenzucker (Xylit)10,50–21,90
Erythrit5,60–23,84
Stevia Streusüße14,30–100
Kokosblütenzucker10–50
Zucker0,76–2,74
Tabelle 1: Teure Zuckeralternativen.


Birkenzucker (Xylit)


Xylit ist ein Zucker­alkohol, der auch natürlicher­weise in unserer Nahrung vorkommt, z. B. in Pilzen oder Gemüse, allerdings in eher geringen Mengen. Er hat ungefähr die gleiche Süßkraft wie Haushalts­zucker, was ihn als Zuckerersatz besonders interessant macht. Ein Vorteil ist mit Sicherheit, dass er kein Karies verursacht und er wird deswegen gerne in Kaugummis oder Medikamenten verwendet. Er wird aber zunehmend auch als natürlicher Zucker­ersatz unter dem Namen Birken­zucker vermarktet.

Birkenzucker wird allerdings industriell in einem aufwändigen chemischen Prozess aus Holz­resten, Maiskolben­resten, Stroh und anderen land­wirt­schaft­lichen Rest­stoffen hergestellt. Es handelt sich also dabei mitnichten um ein Natur­produkt, die Vermarktung als solches hinterlässt deswegen einen faden Beigeschmack.

Eine aktuelle Studie, die 2024 im European Heart Journal erschienen ist, zeigt, dass große Mengen Xylit das Risiko für Herz­infarkte, Schlag­anfälle und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Hinter­grund ist scheinbar eine gesteigerte Bildung von Blut­gerinnseln durch die Wirkung des Zucker­austausch­stoffes auf die Blut­plättchen. Die Daten­lage wird noch durch weitere Studien verbessert werden müssen, aber die Ergebnisse sprechen dafür, Xylit sparsam einzusetzen.



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Erythrit


Erythrit kommt ebenfalls natürlicher­weise in einigen Obst und Gemüse­sorten vor, in Pilzen und in einigen fermentierten Lebens­mitteln, z. B. Wein oder Soja­sauce. Seine Süßkraft erreicht etwa 60–80 % von Zucker, weswegen man in der Regel etwas mehr Erythrit als Zucker für ein Rezept benötigt. Der Zucker­alkohol wird industriell in der Regel durch einen Fermentations­prozess mit Hefe hergestellt, wobei als Ausgangs­material beispielsweise Mais­stärke dient. Wie Xylit verursacht Erythrit kein Karies.


Stevia (Stevio­glykoside)


In Stevia und die darin enthaltenen Stevio­glykoside hatte man einst große Hoffnungen gesetzt, dass man endlich einen verträglichen Süßstoff gefunden hat, mit dem Potenzial den Zucker­konsum drastisch zu senken. Allerdings stören sich viele Verbraucher an dem bitteren metallischen Nach­geschmack. Außerdem hat man mit Stevia das Problem, dass man durch die Süßkraft, die etwa 200–400 mal so groß wie die von Haushalts­zucker ist, eigentlich nur minimale Mengen davon benötigt. In vielen Lebens­mitteln, z. B. Kuchen oder Eiscreme, dient Zucker nicht nur als Süßungs­mittel, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle für die Textur. Deswegen ist es nicht so leicht ihn mit Stevia zu ersetzen, ohne gleichzeitig die komplette Rezeptur mit anzupassen.

Einige Hersteller versuchen dieses Problem zu umgehen, indem sie die Stevio­glykoside mit einem Füllstoff mischen: Dieser kann bis zu 99 % des Volumens ausmachen. Das Produkt kommt als Streusüße in den Handel und man kann Zucker damit in der Regel im Verhältnis von 1:2 ersetzen. Als Füllstoffe kommen allerdings teilweise Substanzen zum Einsatz, die man mit Zucker­ersatz eigentlich umgehen möchte, z. B. Maltose oder Zucker. Auch Erythrit und Xylit werden häufig mit Stevio­glykosiden kombiniert.


Verträglichkeit bei Fructose­intoleranz und FODMAP-armer Ernährung


Xylit wird deutlich besser vertragen als Sorbit, was daran liegt, dass die Xylit-Moleküle etwas kleiner sind und leichter durch die Darm­schleimhaut aufgenommen werden können. Dennoch ist Xylit nur bedingt ein geeigneter Zucker­ersatz, wenn man einer FODMAP-armen Ernährung folgt. In hohen Konzentrationen kann es zum Teil heftige Verdauungs­beschwerden hervorrufen, in erster Linie sind hier wässrige Stuhlgänge zu nennen, weil der Zucker­alkohol stark wasser­anziehende Eigenschaften hat.

Erythrit ist hier mit Sicherheit der vielversprechendere Kandidat bei Fructose­malabsorption, da Erythrit-Moleküle nochmals kleiner sind als Sorbit und Xylit und im Dünndarm leichter absorbiert werden können. Man geht davon aus, dass Erythrit zu etwa 90 % im Dünndarm absorbiert werden kann, im Vergleich zu nur etwa 33 % bei Sorbit. Dadurch gelangt nur sehr wenig Erythrit in den Dickdarm und der Zucker­ersatz verursacht nur in sehr großen Mengen Verdauungs­beschwerden (vgl. Abbildung 1). Vom übermäßigen Verzehr in Limonaden und anderen stark gesüßten Getränken raten wir allerdings ab, weil hier die Gefahr der Über­dosierung am größten ist.

Mit Stevia kann man je nach Darreichungs­form den Verzehr von Zucker oder Zucker­austausch­stoffen entweder vollständig vermeiden (reine Stevio­glykoside), oder zumindest deutlich reduzieren (Streusüße). Für die Einschätzung der Verträglichkeit bei Fructose­intoleranz kommt es also in erster Linie auf den verwendeten Füllstoff an, da Stevio­glykoside keine Malabsorption auslösen. Wenn man den Geschmack mag, ist es deswegen wahrscheinlich die verträglichste Alternative unter den Zucker­austausch­stoffen.

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Abbildung 1: Verträglichkeits­grenze von verschiedenen Zucker­alkoholen, ab der beim gesunden Menschen unangenehme Neben­wirkungen, z. B. wässrige Stühle, auftreten können. Xylit und Erythrit werden in deutlich größeren Mengen vertragen als beispiels­weise Sorbit und kommen deswegen als Zucker­ersatz in Frage. Saccharose wird im Dünndarm sehr effizient absorbiert.


Fazit


Insgesamt haben alle Zucker­austausch­stoffe Vor- und Nachteile. Positiv ist mit Sicher­heit hervorzu­heben, dass die Produkte den Blut­zucker nur schwach ansteigen lassen und auch kein Substrat für Karies bieten. Dafür muss man allerdings Abstriche bei den Koch- und Back­eigen­schaften in Kauf nehmen, nicht immer kann man Zucker 1:1 ersetzen.

Leidet man an einer Fructose­intoleranz oder Reiz­darm, sollte man die Alternativen erst einmal vorsichtig testen. In zu hohen Konzentra­tionen können leider alle Produkte auf Basis von Zucker­alkoholen Verdauungs­beschwerden verursachen. Der interessanteste Kandidat ist mit Sicher­heit Erythrit oder Stevia mit Erythrit als Füll­stoff. Aber auch hier muss man vorsichtig sein, v. a. wenn es in Getränken eingesetzt werden soll. Der hohe Preis für die Zucker­alternativen ist leider ziemlich abschreckend und man sollte unbedingt die Preise gründlich vergleichen.

Die WHO hat nach Auswertung zahl­reicher Studien inzwischen eine neue Richtl­inie heraus­gegeben, die davon abrät Zucker durch Süß­stoffe zu substituieren. Statt­dessen sollte man generell weniger Zucker und Süß­stoffe zu sich nehmen und bevorzugt auf natürliche und unver­arbeitetete Lebens­mittel zurück­greifen. Im Zweifels­fall dürfte es am sinn­vollsten sein, doch auf Haushalts­zucker zurückzu­greifen, der selbst bei Fructose­intoleranz im Vergleich zu Zucker­alkoholen sehr effizient im Dünn­darm absorbiert wird und deswegen nur sehr selten Beschwerden verursacht. Man sollte ihn aber bewusst sparsam einsetzen.

Wenn Sie mehr über die einzelnen Zucker­arten erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen einen Blick auf unseren Blog-Artikel Kleine Zuckerkunde.

Dieser Blogeintrag wurde am 10.09.2024 umfangreich überarbeitet.


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Quellen:
  1. J. Rumessen et al., Absorption capacity of fructose in healthy adults. Comparison with sucrose and its constituent monosaccharides, Gut 27 (1986), 1161–1168
  2. M. Witkowski et al., Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk, European Heart Journal 45:27 (2024), 2439–2452
  3. A. Lenhart et al., A Systematic Review of the Effects of Polyols on Gastrointestinal Health and Irritable Bowel Syndrome, Advances in Nutrition 8 (2017), 587–596
  4. A. Zumbé et al., Polyols in confectionery: the route to sugar-free, reduced sugar and reduced calorie confectionery, British Journal of Nutrition 85, Suppl. 1 (2001), 31–45
  5. D. Storey et al., Gastrointestinal tolerance of erythritol and xylitol ingested in a liquid, European Journal of Clinical Nutrition 61 (2007), 349–354
  6. M. Rios-Leyvraz et al., Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis, World Health Organisation (2022)