Welche Biersorten sind bei Histamin­intoleranz am verträglichsten?

Mitte September ist es wieder soweit, dann heißt es beim Oktober­fest wieder „O’zapft is!“ und das Bier fließt in Strömen – nicht immer ohne Neben­wirkungen. Wer zu tief in den Maß­krug schaut bleibt in der Regel nicht verschont. Bei Histamin­intoleranz sind alkoholische Getränke mit besonderer Vorsicht zu genießen. Viele Betroffene vertragen Bier nur sehr schlecht, interessieren sich aber trotzdem für das Thema. Wir erklären, was man bei einer Histamin­unverträglichkeit beachten muss.

bier-histaminintoleranz

Warum beeinflussen verschiedene Brau­methoden den Histamin­gehalt im Bier?


Bier ist ein alkoholisches Getränk, das aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe hergestellt wird. Eine entscheidende Rolle kommt hierbei der Hefe zu. Sie ist es, die während des mehr­wöchigen Gärungs­prozesses aus den einzelnen Zutaten das allseits bekannte alkoholische Getränk bildet, indem sie den Zucker, der beim Mälzen vom Getreide entsteht, zu Alkohol verstoff­wechselt. In der Vergangen­heit stammten die Hefen aus der Luft und fielen in den offenen Gärbottich mit dem unvergorenen Bier.

Heute werden haupt­sächlich zwei verschiedene speziell gezüchtete Hefe­stämme zum Bier­brauen eingesetzt:
  • Saccharomyces pastorianus (untergärige Hefe)
  • Saccharomyces cerevisae (obergärige Hefe)
Die Wahl der Hefe beeinflusst den Herstellungsprozess und hat damit Einfluss auf den Gehalt von biogenen Aminen.

Entgegen der land­läufigen Meinung, die man auf vielen Web­seiten findet, ist Hefe nicht histamin­haltig und produziert auch kein Histamin beim Brauen von Bier (weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in diesem Blog-Artikel). Histamin und andere biogene Amine in Bier sind stattdessen eine Folge einer Verunreinigung mit Milchsäure­bakterien, hier insbesondere Pediococcus spp. Ob es zu einer Kontamination kommt, hängt stark von den hygienischen Bedingungen ab, die beim Brauen herrschen. Eine Herstellungs­art schneidet im Bezug auf biogene Amine besonders schlecht ab, doch dazu später mehr.


Untergäriges Bier


Untergährige Hefe benötigt für den Gär­vorgang nur sehr niedrige Temperaturen von etwa 4–9 °C, weswegen es traditionell in den kühlen Winter­monaten gebraut wurde. Der Brau­vorgang dauert vergleichs­weise lange, dafür ist aufgrund der niedrigen Temperaturen aber das Risiko einer Kontamination mit unerwünschten Fremd-Mikroorganismen, die möglicher­weise Histamin produzieren können, nur gering. Untergärige Biere enthalten deswegen in der Regel wenig Histamin und andere biogene Amine.

Untergäriges Bier
Pilsener, Lager, Helles, Märzen, Export, Oktoberfestbier, verschiedene Craft-Biere, genannte Biersorten (alkoholfrei)
Histamingehalt<1 mg/l
Tabelle 1: Typische untergärige Biere und ihr mittlerer Histamingehalt.


Obergäriges Bier


Bei obergärigem Bier benötigt die eingesetze Hefe eine höhere Umwelt­temperatur von etwa 20 °C. Die Gärung läuft bei der höheren Temperatur deutlich schneller ab, allerdings ist das Jungbier dadurch anfälliger für Verun­reinigungen mit unerwünschten Mikro­organismen. Es ist deswegen wahrscheinlicher, dass histamin­produzierende Bakterien im obergärigem Bier vorkommen und das spiegelt sich auch in einem höheren Histamin­gehalt wider.

Hier gibt es auch noch Sonder­fälle, bei denen das Bier mit einer Mischung aus Hefe und Milchsäure­bakterien gebraut wird (z. B. Berliner Weißbier). Auch hier muss man mit einem erhöhten Histamin­gehalt rechnen.

Obergäriges Bier
Altbier, Kölsch, Weizenbier (Weißbier), viele belgische Biere und englische Ales, verschiedene Craft-Biere, genannte Biersorten (alkoholfrei)
Histamingehalt0,1–3 mg/l
Tabelle 2: Typische obergärige Biersorten und ihr mittlerer Histamin­gehalt.


Spontan­gärung


Daneben gibt es auch Biere, die durch Spontan­gärung hergestellt werden, denen keine definierte Reinhefe hinzugefügt wird, sondern bei denen wilde Hefen und Milchsäure­bakterien in den Brau­kessel fallen. Der Brau­vorgang benötigt enorme Erfahrung, weil das Risiko einer Verunreinigung mit Fremd-Keimen enorm hoch ist. Histamin­produzierende Mikro­organismen können in den Sud gelangen und z. T. bedenkliche Histamin­mengen bilden, die im schlimmsten Fall selbst für gesunde Menschen problematisch sein können. Spontan­gärung wird heute nur noch selten verwendet, hauptsächlich zur Herstellung von Bier­spezialitäten.

Spontangärung
Belgische Bierspezialitäten (z. B. Lambic oder Gueuze)
Histamingehalt0,3–12 mg/l
Tabelle 3: Biere, die mit Spontan­gärung hergestellt werden und ihr mittlerer Histamin­gehalt.


Fazit


Bier ist nicht gleich Bier. Es gibt verschiedene Produktions­methoden, die sich in den hygienischen Bedingungen voneinander unterscheiden. Weltweit dominieren heute zwei Biertypen den Markt: Ober- und untergärige Biere. Untergärige Biere enthalten in der Regel die niedrigsten Gehalte an biogenen Aminen, wobei in der Regel nicht Histamin, sondern Tyramin und Putrescin die Haupt­kontaminanten sind. Der Histamin­gehalt verdeutlicht aber gut den Trend, denn ein hoher Histamin­gehalt geht in der Regel auch einher mit einem hohen Gehalt anderer biogener Amine.

Bei obergärigen Bieren liegt der Gehalt an biogenen Aminen produktions­bedingt höher. Spezialitäten­biere können zum Teil kritische Mengen an Histamin, Tyramin und anderen biogenen Aminen enthalten. Bei allen Bier­sorten kann es aber durch schlechte hygienische Bedingungen bei der Produktion auch zu erhöhten Gehalten an biogenen Aminen kommen – von außen ist das leider nicht erkenntbar. Hier schneiden in der Regel große Brauereien besser ab.

Betrachtet man nur den Gehalt an biogenen Aminen, so sind die verschiedenen untergärigen Biersorten bei Histamin­intoleranz am „verträglichsten“. Verträglich steht hier leider in Anführungs­zeichen.

Bier enthält Alkohol, das bei vielen Histamin­intoleranten eine fatale Wirkung entfaltet. Das auf dem Oktoberfest ausgeschenkte Bier ist mit 6 % Alkohol sogar noch stärker als reguläres Bier. Eine Maß enthält fast 60 g reinen Alkohol. Dies ist v. a. in Kombination mit Histamin problematisch – ob aus dem Bier selbst oder auch gleichzeitig verzehrten Speisen.

Zusätzlich können andere unerwünschte Stoffe, die bei der Fermentation entstehen, ebenfalls problematische Neben­wirkungen haben. Viele unserer Nutzer vertragen nicht mal kleine Mengen Bier. Wenn man trotzdem einmal ein Bier trinken möchte, sollte man möglichst auf ein gefiltertes untergäriges Bier zurückzu­greifen. Der schädliche Effekt von Alkohol lässt sich zusätzlich vermeiden, wenn man eine alkohol­freie Variante wählt.

In unserer App finden Sie übrigens einen ausführ­lichen Artikel zum Thema Alkohol und Lebens­mittel­unverträglichkeiten, der das Thema noch weiter vertieft. Falls Sie sich für das Thema glykämischer Index von Bier interessieren, finden Sie hier weiteren Lesestoff.


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Quellen:
  1. G. Del-Campo et al., Histamine production by some lactic acid bacteria isolated from ciders, Food Science and Technology International 6 (2000), 117–121
  2. G. Gasari et al., Occurrence of biogenic amines in beer: causes and proposals for remedies, Monatsschrift für Brauwissenschaft 56 (2003), 58–63
  3. J. Schneiderbanger et al., Mini-Review: The current role of lactic acid bacteria in beer spoilage, Brew. Sci 73 (2020), 1–5
  4. K. Nalzek-Rudnicka et al., Occurrence and Levels of Biogenic Amines in Beers Produced by Different Methods, Foods 10(2902) (2021), 1–11
  5. S. Loret et al., Levels of biogenic amines as a measure of the quality of the beer fermentation process: Data from Belgian samples, Food Chemistry 89 (2005), 519–525
  6. https://de.wikipedia.org/­wiki/­Bier (abgerufen 09/2023)
  7. https://de.wikipedia.org/­wiki/­Obergärige_Hefe (abgerufen 09/2023)

Bild:
Foto von YesMore Content auf Unsplash